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männerrundbrief

Vorläufige Ergebnisse der mb-gruppe in Hamburg

Unsere Gruppe von ca. 8 Männern entstand auf einem Männerplenum zu der Vergewaltigung durch B. Die gemeinsame Grundlage besteht:

– in der Einschätzung, daß durch eine Auseinandersetzung des Vergewaltigers mit seiner Tat, seinem Verhältnis zu Frauen allgemein, und seiner eigenen Persönlichkeit die größere Chance besteht, daß er fürderhin keine sexuelle Gewalt gegen Frauen (und Andere) ausübt, als lediglich durch aufs Maul hauen, aus der Stadt jagen und im begrenzten Rahmen des politisch/subkulturellen lnformationsnetzes Warnungs-Steckbriefe zu verschicken;

– in dem individuell sehr unterschiedlich begründeten Willen, etwas dafür zu tun, um diesen anderen Umgangsweg praktisch möglich zu machen.

Über die Aufgabe der Kontrolle des Vergewaltigers hinaus ging es uns vor allem darum, herauszufinden, ob und wenn dann welche Therapien es gibt, die gewährleisten, daß eine Auseinandersetzung mit der Vergewaltigung und seinen individuellen Hintergründen für seine Tat stattfindet.
Wir sind davon ausgegangen, daß eine umfangreiche, langfristige und übergreifende Therapie notwendig ist. Da von uns kaum jemand Erfahrungen mit Therapie, Therapieformen, Institutionskliniken etc. hatte, war es notwendig, uns schlau zu machen, d.h. uns selbst nach bestehenden Therapieplätzen, deren Zielsetzung, Herangehensweise, Bedingungen, Wartezeiten usw. zu erkundigen.
Zunächst haben wir versucht, einen geeigneten Platz über div. Männerbüros, Beratungsstellen, Institutionen wie »Männer gegen Männergewalt« (MgM), Kliniken, einzelne Psychologen etc. zu finden. Dabei haben wir herausgefunden:

– in Hamburg und nähere Umgebung gibt es keine Möglichkeit für eine sofortige , sei es auch nur ambulante Therapie für sexuelle Gewalttäter. Lediglich bei MgM war ein wöchentlich einstündiges Gespräch mit einem Psychologen möglich.
– wir haben bisher keine Einrichtung gefunden, die eine langfristige Therapie mit Unterbringung für sexuelle Gewalttäter ermöglicht. Alle Plätze die es gibt, knüpfen die Aufnahme an Bedingungen,die allein durch den Umstand, daß ein Mann vergewaltigt hat, nicht ausreichend erfüllt werden.

Was wir ausfindig machen konnten sind

– bundesweit sehr vereinzelt Tätertherapien für verurteilte sexuelle Gewalttäter, die im Knast sitzen,

– mit mehrmonatiger Wartezeit ambulante Therapien bei Psychologen, die Erfahrung mit Tätern haben

Die Suche fand unter ständigem Zeitdruck statt, mit der fortwährenden Drohung, daß er aus der Psychatrie, wo er freiwillig war rausfliegt, da sich die dortigen Psychologen nicht zuständig fühlten (»Was? Einmal haben sie nur vergewaltigt? Naja dann…«). Allein, weil es sich für uns als unmöglich herausgestellt hat, eine Unterbringung in für uns erreichbarer Nähe, außerhalb der Viertel, die den Bewegungsraum der Frau darstellen in einer Männer-WG hinzubekommen, drohte der Versuch zu scheitern.
Eine einmal wöchentliche ambulante Therapie, wie bei MgM fanden weder wir, noch B. selbst für ausreichend. Es übersteigt unsere Kräfte und Möglichkeiten, B. über Monate hinweg in seinem Tun und Lassen, seinen Bewegungen zu kontrollieren, bzw. notwendigen Wohnraum zu finden, der die Bedingungen:
Männer -WG, außerhalb der Viertel liegend, die den unmittelbaren Lebensraum der vergewaltigten Frau darstellen, in erreichbarer Nähe um regelmäßig ausreichenden Kontakt zu halten erfüllt. Von daher kam nur ein Platz, der Wohnen und umfassende Betreuung /Kontrolle, beinhaltet in Frage. Letztlich haben sich solche Möglichkeiten nur aufgrund der »Drogenkarriere« von B. ergeben. Wir haben dann die jeweiligen Drogentherapieplätze, um die sich B. bemüht hat, daraufhin zu überprüfen versucht, ob sie so ausgelegt sind, daß zumindest die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit besteht, daß im Verlauf der Therapie eine Auseinandersetzung mit der Vergewaltigung und seinem Verhältnis zu Frauen und zu Sexualität stattfindet.
Die von ihm begonnene Drogentherapie schien uns diese Bedingungen zu erfüllen. Aufgrund der im Therapiekonzept vorgesehenen dreimonatigen Kontaktsperre nach außen hatten wir in den 6 Wochen, die er dort war keinerlei Infos mehr, was gerade ist. Dann hat sich herausgestellt, daß die Gruppe dort es ablehnte mit ihm weiterzumachen, die Therapeuten ebenfalls.
Damit war das Angebot verbunden, ihm binnen 14 Tagen, die er dort noch hätte bleiben können, einen Platz in einer anderen Einrichtung zu vermitteln zu versuchen. Er ist trotzdem, ohne Rücksprache und Abstimmung mit uns, sofort gegangen. Damit hat er den Rahmen der an ihn gestellten Bedingungen verlassen.
An diesem Punkt fiel die Entscheidung der Frauen, bundesweit einen Warnungs-Steckbrief zu verschicken. Hier ist auch für uns der Versuch, in seinem Fall einen anderen Umgang mit einem Vergewaltiger zu finden, gescheitert.
Es besteht zwar nach wie vor sporadischer telefonischer Kontakt. Dadurch wissen wir, daß er vorübergehend in einer Männer-WG in Saarbrücken wohnt, die durch ihn wissen, daß er vergewaltigt hat. Er sucht nach einem anderen Therapieplatz.
Aber was dabei herauskommen wird und wie er sich währenddessen verhält, können wir nicht einschätzen.
Aufgrund dessen, wie’s in seinem Fall gelaufen ist, sind wir nicht zu dem Schluß gekommen, daß der Ansatz Therapie für sexuelle Gewalttäter an sich gestorben ist. Es hat unter uns bisher keine gründliche »Auswertung« (Beurteilung?) stattgefunden, die uns ermöglicht, an dieser Stelle detailliert aufzuzeigen, an welchen Punkten und was genau schiefgelaufen ist.
Dies soll noch folgen. Für uns steht auch eine grundlegende Diskussion über Sinnhaftigkeit eines solchen Umgehens mit Vergewaltigern noch aus.
Daß sich sexuelle Gewalt als Bestandteil des Patriarchats nicht wegtherapieren läßt, steht auch für uns außer Frage. Der Ansatz Therapie geht an einen anderen Punkt, der eher mit der Frage zusammenhängt, warum ein Teil der Männer dieser Gesellschaft sexuelle Gewalt bis zur Vergewaltigung ausüben und ein anderer Teil der Männer dies nicht tut. Der Therapie-Ansatz kann wohl nur was bringen, wenn davon ausgegangen wird, daß die Gründe dafür u.a. in den Unterschieden in der Persönlickeitsstruktur der Männer liegt und somit in der Chance, daß eine Therapie eine Veränderung derselben zur Folge hat.

HH 9.7.93 mb-gruppe