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Vergewaltigungsdiskussion in Darmstadt

An dieser Stelle dokumentieren wir einige Papiere die wir zugeschickt bekommen haben. Wegen der schlechten Qualität haben wir die Sachen nochmal neu getippt. Hervorhebungen und ähnliches sind dabei übernommen worden. Insgesamt sind es drei Papiere.

swing nr 48 dez/jan 92/93
Terror in Darmstadt
Wir haben uns entschlossen, einige Ereignisse der letzten Zeit und den Terror gegen einzelne Personen aus unseren Zusammenhängen hier zu veröffentlichen.
Wir werden uns bei der Schilderung des Geschehens darauf beschränken, den Charakter des Angriffs zu verdeutlichen. Damil soll auch erreicht werden, daß sich Menschen, die ähnliche Situationen kennen, mit uns in Verbindung ssetzen und so ein Austausch gewährleistet ist.

zu den Vorfällen:

Mitte dieses Jahres wurde eine Frau aus unseren Strukturen in ihrer Wohnung vergewaltigt. Das schwein hat sie an der Haustür abgefangen und in die Wohnung geschleppt. Er kannte sich dort sehr genau aus. außerdem war ihm klar, daß sowohl die Mitbewohner nicht zuhause sind als auch niemand sonst sich zu diesem Zeitpunkt im Hause aufhielt. Es war also kein spontaner Angriff sondern geplant und ausgekundschaftet. Der Täter hat außerdem Aufzeichnungen der Frau entwendet, die wichtigen politischen Charakter hatten.
In der Zeit danach kam es ständig zu subtilem Terror, der der Frau verdeutlichen sollte, daß sie ständig beobachtet wird. Unter anderem kam ein Drohbrief, allerdings nicht direkt an die Frau, sondern ihr zu Händen – an eine politische Gruppe.
Uns drängt sich der Verdacht auf, daß dort nicht ein durchgeknalltes Arschloch am Werk ist, sondern daß sich mehrere Leute dazu entschloßen haben, unsere Freundin fertigzumachen. Wir kennen es langsam von Staatsschutzseite zu genüge, daß Leute einzeln herausgegriffen werden und so versucht wird sie fertigzumachen.
Dabei nutzen die Schweine jede Möglichkeit die sich ihnen bietet, sei es der Arbeitsplatz, die wohnung, die Eltern, die Kinder, der/die LebenspartnerIn… . Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, wenn sie die Möglichkelt sehen, durch irgendeinen speziellen Terror zum Erfolg kommen zu können. Erfolg – das heißt für sie: Leute davon abzuhalten, ihren politischen Aktivitäten nachzugehen – bzw. wenn sie sich nicht abhalten lassen, sie zu brechen.

Dieser Angriff auf unsere freundin ist genauso ein Angriff auf uns.
Wir machen die Vergewaltigung öffentlich, auf der einen Seite, weil wir denken dadurch einen gewissen Schutz für unsere Freundin herstellen zu können, auf der anderen Seite weil uns durch diesen Drohbrief auch noch einmal klar wurde, daß sie nicht alleine bedroht wird.
Wir können nichts beweisen, nehmen die Sache jedoch sehr ernst.
Wie immer:
Gegen ihren Terror hilft nur unsere Organisierung.
also meldet euch bei uns, wenn bei Euch, in Eueren Städten ähnliche Schweinereien passieren.
Wir haben den Namen der Frau bewusst nicht veröffentlicht und wollen auch nicht, daß darüber spekuliert wird!
Spekulationen sind bestenfalls nicht konstruktiv, schlechtestenfalls machen sie ungewollt Strukturen auf und arbeiten damit der anderen Seite in die Hände.
Bei Infos und Fragen wendet euch Bitte nur an die
Bunte Hilfe

Offener Brief an die Männer der bunten Hilfe
Mitte des Jahres wurde eine Frau aus der Darmstädter Szene vergewaltigt. Wir haben jetzt durch das Flugblatt »Terror in Darmstadt« der Bunten Hilfe davon erfahren.
Im Flugblatt steht: »Wir machen die Vergewaltigung öffentlich, auf der einen Seite, weil wir denken dadurch einen gewissen Schutz für unsere Freundin herstellen zu können, auf der anderen Seite weil uns durch diesen Drohbrief auch noch einmal klar wurde, daß nicht sie alleine bedroht ist.«
Wir fragen uns: Warum erst jetzt? Wir denken, daß nicht erst jetzt für die vergewaltigte Frau und für andere Frauen ein Schutz hergestellt werden muss. Möglichst schnell hätten zumindest andere Frauen über die Tat, Tathergang, Täter und Tatmuster informiert werden müssen. Häufig ist es so, daß der Täter eine direkte oder indirekte Verbindung zu seinem Opfer ausnutzt. Besonders wichtig finden wir in diesem Fall, daß die Gefahr besteht, daß der Täter auch aus dem Umfeld der Szene kommen kann.
Offenbar gewinnt die Vergewaltigung für Euch als Männer und politische Gruppe erst dadurch soviel Bedeutung, daß ihr sie öffentlich macht, wenn sie durch einen Drohbrief interpretierbar wird, nämlich als Staatsschutzterror. Was hättet Ihr getan, wenn es keinen Drohbrief gegeben hätte? Ist ein Vergewaltiger nur entweder Staatsschützer oder ein »durchgeknalltes Arschloch«?
Eine Vergewaltigung ist nicht die Tat eines »durchgeknallten« und damit unzurechnungsfähigen »Arschlochs«, sondern die gezielte Eskalation patriarchaler Gewalt.
In Eurem Flugblatt schafft Ihr es innerhalb zweier Sätze vom Vergewaltiger abzulenken. In der Begrifflichkeit springt Ihr vom Vergewaltiger als durchgeknalltem Arschloch über »mehrere Leute, die unsere Freundin fertigmachen wollen« zum Staatsschutz. Damit ist der sexistische Angriff eines Mannes auf eine Frau nicht mehr erkennbar.
»Dieser Angriff auf unsere Freundin ist genauso ein Angriff auf uns« – ist er nicht, auf uns Männer kann er es nicht sein.
»Wie immer: Gegen ihren Terror hilft nur unsere Organisierung« Schon werden aus potentiellen Tätern (Männern) potentielle Opfer!
Wir fordern eine Auseinandersetzung über Vergewaltigung: Wir akzeptieren keine Ablenkung auf das Thema Repression. Wir fordern die Männer der Szene, insbesondere die an der Entstehung des Flugblatts Beteiligten zur Diskussion auf.
Uns ist es wichtig, daß hier an Ort und Stelle diskutiert und gehandelt wird. Dabei muss es eine eigene Auseinandersetzung und Position von Männern geben.
Die Männer der Sonntagsgruppe

Ausstieg der Sonntagsgruppe aus dem Laden »Basta« in Darmstadt

Vorwort
Ende November 92 erschien das Flugblatt »Terror in Darmstadt« (siehe Swing Nr. 48) an dem sich in einem Teil der linksradikalen Darmstädter Scene eine scharfe Kontroverse entzündete. Dies eskalierte immer weiter und schließlich führte die massive Weigerung der Verfasserinnen jenes Papiers, sich mit Kritik daran auseinanderzusetzen, dazu, daß zwei Gruppen den Laden »Basta« – Treffpunkt mehrerer linksradikaler Gruppen in Darmstadt – verließen (Verlauf der Kontroverse im Text). Vom Frauenlesbenplenum Meta ist bereits eine Erklärung erschienen (»Tausend mal diskutiert«. siehe Swing Nr. 52) und wir, die sonntagsgruppe, kündigten Ende Januar eine schriftliche Begründung unseres Ausstiegs an.
Wir sind mit der Form in der auch wir die Auseinandersetzung führen, d.h. sich – statt im direkten Gespräch – über Flugblätter zu äußern, unzufrieden.
Jedoch ist es für uns in der zugespitzten Situation nach dem Ausstieg erstmal unmöglich, die »Diskussion« anders als in schriftlicher Form zu führen. Auf der Grundlage dieses Papiers ist für einen Teil von uns das Gespräch mit den Verfasserinnen des Flugblattes »Terror in Darmstadt« vorstellbar, aber nur getrenntgeschlechtlich.
Wir finden es schade, daß dieses Papier erst jetzt erscheint. Verschiedenes hat dazu geführt das sich die fertigstellung des Papiers immer wieder verzögerte. Zunächst gab es die Notwendigkeit eigene Diskussionen und Klärungen herbeizuführen.
Im Laufe der Diskussionen wurden sexistische Angriffe, Vergewaltigungsversuche und Vergewaltigungen durch Scene- Männer bekannt. So wandelte sich die Auseinandersetzung um das NichtVerhalten des »Bunte-Hilfe-Spektrums« – im folgenden »Buhi-Spektrum« – zum Flugie Streit und der lgnoranz gegenüber sexistischer Unterdrückungs- und Gewaltverhältnisse zur konkreten Konfrontation mit Tätern in der linken Scene. Durch die Diskussionen über Umgangsweisen und die darauffolgenden Reaktionen entstand auch der zweite Teil des Papiers:
Wie wir – Frauen und Männer – uns den Umgang mit sexistischen Angriffen und Tätern vorstellen und die weiterführende Auseinandersetzung über Sexismus in unseren politischen Alltag integrieren können.
Darüber hinaus haben wir uns zu anderen, aktuellen politischen Ereignissen der letzten Zeit verhalten.

Obwohl die Ereignisse, um die es in unserem Papier geht schon relativ weit zurückliegen, halten wir die Veröffentlichung für notwendig und sinnvoll. Wir wollen die – von uns angekündigte – ausführliche Begründung für unseren Ausstieg aus dem Laden BASTA geben. Es ist uns auch wichtig die Diskussionen für Leute in Darmstadt, die nicht zu den direkt beteiligten Gruppen gehören, und in anderen Städten transparent zu machen. Darüber hinaus möchten wir den Stand unserer Auseinandersetzung mit sexistischer Gewalt zur Diskussion stellen.
Bei der Lektüre dieses Papiers werden möglicherweise Sprünge und Brüche irritieren. Dies ist auf die Entstehungsweise und lange Entstehungszeit zurückzuführen. Da wir unsere Diskussionen größtenteils nach Geschlechtern getrennt führen, spiegelt dieses Papier die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Diskussionsstände und Ergebnisse wider.

Hintergründe unseres Ausstiegs
Um den Hintergrund der Auseinandersetzung einordnen zu können, halten wir einige Zusatzinformationen für wichtig.

1. Zur Sonntagsgruppe
Die Sonntagsgruppe gibt es jetzt seit Anfang 1989 in fast konstanter Zusammensetzung. Sie entstand aus der Auseinandersetzung um die Startbahnprozesse. Wir arbeiten seither an vielen aktuellen Themen (WWG, Golfkrieg, Flüchtlingspolitik, etc) versuchen aber immer kontinuierlich inhaltlich zu arbeiten. Themen waren unter anderem Rrassismus, Nationale Befreiungsbewegungen, Internationalismus, Knastbeben. Die kontinuierliche Arbeit ist oft schwierig und wird vernachlässigt, weil uns die aktuellen ereignisse immer wieder überrollen und viele von uns auch in anderen Gruppen arbeiten.

Im November 1991 wurde eine Freundin von uns vergewaltigt. Wir wollten in der Zeit ein Fest veranstalten, hatten uns über das Thema aber noch nicht geeinigt. Wir trafen dann gemeinsam die Entscheidung, das Fest zu Thema »Gewalt gegen Frauen« zu machen und Geld für unsere Freundin zur Unterstützung im Prozess zu sammeln. Darüber gab es auch keine lange Diskussion. Schwierig wurde es bei der konkreten Planung.
Zu der Entwicklung und Hintergründen der Aufteilung in Frauengruppe und Männergruppe konnte von uns keine übereinstimmende Version gefunden werden, daher stellen wir beide Seiten getrennt dar:

Aus FrauenLesbensicht
Wir FrauenLesben hatten vor, einen inhaltlichen Beitrag zu schreiben und forderten dies auch von den Männem. Das wurde zunächst abgeblockt mit der Begründung, dass sie so schnell nichts dazu parat hätten. An diesem Punkt eskalierte die Auseinandersetzung. Wir waren sauer, dass trotz jahrelangem theoretischem Anspruch antipatriarchaler Diskussion in der Scene und der Sonntagsgruppe, die Männer sich mal wieder überrollt fühlten und nicht reagieren konnten / wollten.

Aus Männersicht
Von Seiten der Männer ist zumindest heute unbestritten vieles schiefgelaufen. Aus unserer Sicht stellt sich manches anders dar, als aus der Sicht der Frauen. Strukturen waren unter uns nicht vorhanden, persönliche Beziehungen zwischen Männern der Sonntagsgruppe waren wenig ausgeprägt\uc; un‘>crcr s1cht. Es gab einzelne Männer, die von der Vergewaltigung wussten.
Jeder dieser Männer dachte, er wäre der einzige Mann, der dieses wisse. Im Nachhinein ist für uns ein gemeinsamer Informationsstand Voraussetzung für eine Männerdiskussion. Da wir heute eine solche Diskussion für unerlässlich halten, werden wir in Zukunft stets einen gemeinsamen lnformationsstand herstellen.
Bei einem Treffen bei dem die Frauen uns mit der Vergewaltigung konfrontierten und zugleich einen inhaltlichen Beitrag für eine Solifete von uns forderten, hüllten wir uns zunächst in Schweigen und blockten die Forderung ersteinmal ab.

Der gesamten Gruppe wurde deutlich, dass das Thema Patriarchat/Sexismus wegen aktueller Diskussionen viel zu oft in den Hintergrund gedrängt wird. Daraus resultierte die Entscheidung, uns vorerst in getrennten (Männer-Frauen) Gruppen zu treffen und in dieser Zusammensetzung auch das Fest inhaltlich vorzubereiten. Gleichzeitig wurde entschieden, uns kontinuierlich mit Patriarchat/Sexismus auseinanderzusetzen, dies erst einmal zu unserem Schwerpunkt zu machen. Am Ende der Auseinandersetzung sollte die Frage stehen, ob wir weiter als gemeinsame Gruppe arbeiten können. Wir wollten und wollen den Versuch machen, die getrennten Diskussionen am Ende zusammenzuführen.

Entwicklung der Sonntagsgruppe Männer
Die Zeit bis zum Fest nutzten wir zu einem Austausch über unsere Ausgangsbedingungen. Dabei stießen wir auf unseren unterschiedlichen Diskussions- und Erfahrungsstand zur Auseinandersetzung um Sexismus und Vergewaltigung. Wir erinnerten uns an von uns vergrabene frühere Auseinandersetzungen, die darin gemachten Fehler und die zum Teil schwerwiegenden Folgen (Trennungen, Einbrüche z.B. bei der Wiederbesetzung der Fuhrmannstr. 9).
Wir hatten/haben Ängste, Frauen in einer offenen Diskussion zu verletzen. Das Ergebnis dieser Angst war für uns auch bequem. Das potentielle Tätersein macht es zusätzlich schwer, sich mit Opfern zu solidarisieren, ohne bei Lippenbekenntnissen stehen zu bleiben. Unser Wunsch nach Distanzierung von den Tätern verband sich mit dem Wissen um unsere komplizenhafte Verstrickung. Wir befürchteten, es den Frauen nur rechtmachen zu wollen bzw. zu müssen und dabei den Blick nicht auf uns selber zu richten.
Einerseits wollen ‚wir bei beobachteter sexueller Gewalt einschreiten, andererseits wollen wir nicht das Männerbild vom Beschützermacho reproduzieren. Wir suchten in unseren Erinnerungen eigene Beobachtungen sexueller Gewalt. Wir erkannten, wie schwer es uns fällt. solche überhaupt wahrzunehmen und nicht passiv zu bleiben. Aus diesen Schrittversuchen entstand schließlich unser erstes Männerflugblatt zur Solifete (siehe Swing Nr. 40).
Jetzt, nach einem Jahr Diskussion, stellten wir fest, dass unsere Entwicklung in kleinen Schritten stattfindet. Wir führen uns noch oft genug im Kreis herum. Unsere Diskussionen sind nicht abgeschlossen, sodass kein Thema als beendet zur Seite gelegt werden könnte. Wir müssen feststellen, dass wir in konkreten Auseinandersetzungen immer wieder von unseren patriarchalen Verhaltensweisen und Denkmustern eingeholt werden. Nur in der kontinuierlichen Konfrontation mit uns selber können wir weiterkommen. Wir wollen innerhalb der Männergruppe zu eigenen Positionen zu Sexismus und Patriarchat kommen. Die Gewichtigkeit einer gemischtgeschlechtlichen, zusammenführenden Diskussion ist für die Einzelnen unterschiedlich.

Entwicklung der Sonntagsgruppe FrauenLesben
Unter uns FrauenLesben haben wir als ein Ziel definiert eine Herangehensweise an unsere politische Arbeit in dieser gemischten Gruppe zu erarbeiten, die von vorneherein den Blick aus unserer FrauenLesbensicht miteinbezieht. Unser Widerstand gegen das patriarchale Unterdrückungsverhältnis soll grundlegender Bestandteil unseres politischen Selbstverständnisses sein. Das muss in der Form unserer Organisierung (z.B. auch weiterhin getrenntgeschlechtlich zu diskutieren), in der Weiterentwicklung unserer Strukturen und in den persönlichen Umgangsweisen miteinander Ausdruck finden. Die Wahl und Herangehensweise an die politischen Inhalte der Sonntagsgruppe muss davon mitbestimmt sein. Wichtig ist uns unsere Erwartung an die Männer der Sonntagsgruppe als Grundlage gemeinsamer politischer Organisierung offen zu machen und Forderungen zu stellen. Auch wir FrauenLesben der Sonntagsgruppe sind unterschiedlich und haben noch viele Diskussionen vor uns.

Wir verstehen uns als Sonntagsgruppe, bis zu einem vorläufigen Ende der Auseinandersetzung, weiterhin als gemischte Gruppe, die sowohl gemeinsam, aber auch einzeln als Frauen- oder Männergruppe agiert. Es ist uns aber noch nicht gelungen, die Patriarchatsdiskussion gemeinsam zu (führen.)

2. Zum Basta Laden
An dieser Stelle folgt ein Teil zum Basta Laden und dem politischen Selbstverständnis der Leute die ihn nutzen. Wir (männerrundbrief) haben diese Stelle aus Platzgründen weggelassen, weil sie zur Auseinandersetzung erstmal keinen direkten bezug hat. Unter anderem kritisieren die SchreiberInnen dort das Schwarz-weiß-Denken, ewiges Konspigehabe – miese Informationspolitik, Sich selbst als Nabel des Widerstands begreifen und das Finktionalisieren von leuten beim Buhi-Spektrum. Die Auseinandersetzung mit Sexismus wurde bei ihnen nicht als konkrete politische Arbeit wahrgenommen. Beim Vorwurf des fraktionszwangs stellte die Sonntagsgruppe fest:
Die Frauen erschienen nur als Deligierte der Fugblattschreiberlnnen und gaben auch nur vorher ausdiskutierte Positionen wieder, interne Diskussionen und Widersprüche in der Gruppe durften nicht nach außen dringen. Hingegen kamen die Männer auf das Männerplenum nur als Einzelpersonen und konnten dafür zur Gruppe überhaupt nichts sagen.

Die Auzählung endet mit der Feststellung:
Wir hoffen, dass deutlich wird, dass fiir uns ein Sammelsurium an Verhaltensweisen und Vorfällen und eben eine lange Geschichte nun zum tragen kommen.
Bisher haben wir es versäumt die Auseinandersetzung, um diese angerissenen Punkte ausreichend zu fiihren, um den Streit nicht eskalieren zu lassen (Zum Teil aus persönlicher Laschheit). Es wird hier aber sicher deutlich, dass uns diese fehlende Auseinandersetzung jetzt auf die Füße fällt.

Kritik am Flugblatt »Terror in Darmstadt«
Ende November erschien in Darmstadt und vor allem bundesweit das Flugblatt »Terror in Darmstadt«.
Zum Inhalt: Im Flugi wird öffentlich gemacht, dass im Sommer 1992 eine Frau aus der Szene vergewaltigt wurde und dass sie seitdem Verfolgung und sonstigem Terror ausgesetzt ist. Anlass der Veröffentlichung zum jetzigen Zeltpunkt war ein Drohbrief an die betroffene (Frau …) konstruiert, dass der Staatsschutz hinter allem steckt und dass es darum geht, die Frau politisch zu brechen. Ziel der Veröffentlichung war, herauszubekommen, ob in anderen Städten ähnliche Vorkommnisse bekannt sind.

Sowohl den Frauen als auch den Männern der Sonntagsgruppe platzte beim Lesen der Kragen darüber, wie wieder einmal so ein Flugblatt innerhalb der Szene geschrieben und so eine Position vertreten werden konnte. Wir wollen im folgenden versuchen, deutlich zu machen, was iunsere Kritik am Flugi, weil hier auch noch einmal das sehr unterschiedliche Politikverständnis unserer Gruppen zum Ausdruck kommt. Vor allem eben auch der Stellenwert, den die Patriarchats-Diskussion für die Gruppe der VerfasserInnen hat.

– »Uns drängt sich der Verdacht auf, dass dort nicht ein durchgeknalltes Arschloch am Werk ist, sondern, dass sich mehrere Leute dazu entschlossen haben, unsere Freundin fertig zu machen«. (Zitat aus dem Flugi)
Es ist bekannt, dass es bei Vergewaltigungen nicht um »sexuelle Abartigkeiten« sondern um die Ausübung und Durchsetzung von Männer-Macht auf übelste Weise geht. Es ist bekannt, dass die betroffenen Frauen oft vorher ausgespäht werden. Es ist bekannt, dass Vergewaltigungen in der Regel planvoll und gezielt durchgeführt werden.
Scheinbar sind diese Erkenntnisse nicht bis in diese Gruppe vorgedrungen.
Im Flugi wird von der Vergewaltigung ganz schnell zum Staatsschutz und zu staatlicher Repression übergegangen. Es wird mit keinem Wort benannt, dass Vergewaltigung gezielte Gewalt von Männern gegen Frauen ist. Dies bedeutet, dass es scheinbar nur eine Konfrontationslinie gibt, die zwischen Widerstand und Staat. Die zwischen Männern und Frauen wird geleugnet.

Die einzig mögliche Interpretation der Ereignisse scheint zu sein, dass eine gezielte Staatsschutzaktion dahintersteckt. Wir erfahren aber nur die Interpretation. Kaum Tatsachen oder wirkliche Begründungszusammenhänge. Warum wird so schnell ausgeschlossen, dass der Täler aus dem persönlichen oder politischen Umfeld stammt? Für uns ist dies von vornherein nie auszuschließen. Das zu tun bedeutet auch, mögliche Täter in den eigenen Reihen zu schützen.

Umgehensweise der Gruppe mit dem Thema »Gewalt gegen Frauen«:
Das gesamte Verhalten macht es unmöglich, wirklich nach dem Täter zu suchen, fragt überhaupt nicht nach Beteiligung der Männer aus den eigenen Zusammenhängen und bietet Tätern aus dem eigenen Umfeld größtmöglichen Schutz – und das alles auf Kosten der betroffenen Frau und anderer Frauen.

– »Dabei nutzen die Schweine jede Möglichkeit. …sei es der Arbeitsplatz, die Wohnung, die Eltern …« (Zitat).
Durchgehend wird geleugnet, dass Vergewaltigung eine zugespitzte Form der patriarchalen Gewalt gegen Frauen ist, eben nicht gleichzusetzen mit jeder anderen Form der staatlichen Repression. Repression von Seiten des Staates beinhaltet für Frauen jedoch auch immer sexistische Anteile bis hin zur Vergewaltigung.

– Es passt, dass sich durch den Drohbrief (er ging an die polilische Gruppe der Frau) jetzt die ganze (gemischte) Gruppe gleichermassen bedroht fühlt. Dies verkennt, dass die Bedrohung für Frauen per se eine andere ist als für Männer.
– »Spekulationen (über den Namen der Frau) machen ungewollt Strukturen auf und arbeiten damit der anderen Seite in die Hände.« (Zitat) Wir respektieren die Anonymität der Frau, weil sie Schutz bedeuten kann und ihr Wunsch ist. Und nicht, weil die Gruppe ihre Strukturen geschützt haben will. Dies sollte eine Selbstverständlichkeit sein, ist für die Flugblattschreiberlnnen aber nicht erwähnenswert. Uns drängt sich der Eindruck auf, dass der Schutz der eigenen Strukturen, die in Darmstadt eh relativ durchsichtig sind wesentlich wichtiger ist, als der Schutz der Frau(en).

– »Gegen ihren Terror hilft nur unsere Organisierung.« (Zitat) Welche? Gegen Männergewalt hilft Frauenorganisierung und – getrennt – die Organisierung von Männern untereinander. Bei einer gemischtgeschlechtlichen Organisierung müssen die unauflösbaren Widersprüche zwischen Frauen und Männern Gegenstand der Auseinandersetzung sein. Die gemeinsame Organisierung von Frauen und Männern – auch innerhalb der Szene – heißt Organisierung mit potentiellen oder auch tatsächlichen Tätern.

Verlauf der Auseinandersettung und Perspektiven
Auseinandersetzungen aus Männersicht
Das Erscheinen des flugblattes »Terror in Darmstadt« löste bei uns Wut und Bestürzung aus. Bei unserem nächsten Männertreffen verfassten wir einen offenen Brief (siehe Swing Nr. 48), gerichtet an alle Männer des Ladens »Basta« mit der Aufforderung zur Auseinandersetzung. Wir luden zum Männerplenum am 13.12.92 ein. Im Laufe der Zeit wurde klar, bzw. bekamen wir mit, dass die am Flugblatt beteiligten Männer nicht kommen wollten. Als Grund wurde uns der Schutz der Anonymität der Frau genannt. Diese haben wir nicht in Frage gestellt. Ferner wurde uns vorgeworfen, wir würden mit jeder Auseinandersetzung, selbst unter Männern, die betroffene Frau erneut mit ihrer Vergewaltigung konfrontieren. Folgten wir dieser Argumentation, so wäre eine Auseinandersetzung über sexuelle Gewalt und die Rolle von uns Männern darin wohl auf Dauer ausgeschlossen.
Nach mehrmaligem hin und her, dem Eingrenzen der Diskussion auf aktuelle Fragen und der Versicherung, auf diesem Plenum alte Geschichten zurückzustellen, bestand die Hoffnung, dass alle angesprochenen Männer kommen wollten. Die Mitverfasser des Flugblattes »Terror in Darmstadt« erschienen dann doch nicht.
Zum Treffen erschienen viele Männer. Das Treffen (13.12.92) war gut und wichtig für uns. Es wurde unter anderem unser offener Brief kritisiert: Wir würden nur fordern und nicht anbieten und die alten unverarbeiteten Geschichten würden mitschwingen. Es wurde auch ein Termin für das nächste Plenum beschlossen (17. 1.93). Als Grund für das Nichterscheinen der anderen Männer wurde uns mitgeteilt, wir hätten zu breit »mobilisiert« und es wäre ihnen nicht klar welche Männer kommen würden, denn sie wollten ihre Strukturen nicht offen machen. Sie ihrerseits luden uns Männer der Sonntagsgruppe zu einem sogenannten Informationstreffen ein. Wir nahmen mit männern des Männerplenums die Einladung an. Von Seiten der Einladenden erschienen nicht nur Männer sondern auch Frauen, die die Diskussion stark mitbestimmten. Beide erklärten ihre Befürchtung, durch die beabsichtigte Männerdiskussion würden ihre gemischtgeschlechtlichen Zusammenhänge aufgespalten. Auf diesem Treffen wurde uns zum ersten mal auch die emotionale Betroffenheit der Männer deutlich.
Zu Anfang dieses Jahres wurde uns bekannt, dass am selben Tag des Männerplenums (17.1.93) ein Renovierungs- und Organisationsplenum des Ladens »Basta« angesetzt wurde. Wir haben dreimal versucht, die Einladenden, die auch zum Teil am Flugblatt »Terror in Darmstadt« beteiligt waren, zu bewegen, das Ladenplenum zu verschieben. Zuerst müsse es eine Auseinandersetzung zum Flugblatt geben. Darauf wurde nicht eingegangen. So zeichnete sich die Eskalation schon früh ab, zu der es dann am 17.1. auch kam. Die Frauen forderten von den Männern sich zu äußern. Nach längerem Ausweichen wurde dies abgeblockt. In der Folge verließen die Frauengruppe und die Sonntagsgruppe den Laden (siehe auch Ausstiegspapier der Frauen: »1000 mal diskutiert«).
Am Abend des 17.1. kam es dann, trotz des vorangegangenen Eklats, zum anberaumten Männerplenum, wo erstmals alle Männer erschienen.
Mittlerweile war die Verärgerung so gestiegen, dass sich streckenweise auch angeschrieen wurde und Männer von beiden Seiten zurückgepfiffen werden mussten, um überhaupt noch im Gespräch bleiben zu können. Das positive des Abends war, dass zumindest von einzelnen Männern ihr Interesse an einer Auseinandersetzung über Sexismus klar wurde. Ein erneutes Männerplenum wurde auf den 7.2. festgelegt. Aber bei diesem Termin erschienen außer den Männern der Sonntagsgruppe nur noch vier Männer.
Hier haben wir erstmals intensiver über beide Flugblätter diskutiert. Die zwei am Flugblatt »Terror in Darmstadt« beteiligten Männer waren als Einzelpersonen da, im Gegensatz zu den Frauen, die als Deligierte der Gesamtgruppe auf den Frauenplenen erschienen. Alle anderen den »Basta«-Laden nutzenden Männer haben sich unseres Erachtens der Auseinandersetzung entzogen. Im Moment stellen wir fest, das eine antisexistische Auseinandersetzung nicht stattfindet. Deshalb ist eine gemeinsame politische Arbeit nicht möglich. Die anderen Männer erschienen nicht mehr auf dem Männerplenum. Wir vermuten, das dies auch auf die polarisierte Diskussion und auf die aggressive Stimmung zurückzuführen ist. Wir werden versuchen, auf diese Männer zuzugehen, um eine gemeinsame Auseinandersetzung zu ermöglichen.

Perspektiven einer Männerauseinandersetzung
Wir wollen nicht dabei stehen bleiben, Nichtverhalten zu Sexismus und Vergewaltigung offen zu machen, sondern unsererseits die Auseinandersetzung mit Vorschlägen in Gang bringen. Wir brauchen eine Auseinandersetzung, in der wir greifbar, erlebbar, widerstands- und handlungsfähig werden. Als Ansatzpunkte auf dem Weg für ein herrschaftsfreies mänliches Leben können wir uns vorstellen:

– die eigene Geschichte sexueller Gewalt aufzuarbeiten
– die Beziehungen zwischen Männern aufzuarbeiten
– Vertrauen untereinander zu schaffen, auszubauen und zu festigen
– unsere Beziehungen zu Frauen und Kindern aufzuarbeiten
– unser Verhallen bei beobachteter sexueller Gewalt zu reflektieren und Möglichkeiten, bzw. Strukturen zum eingreifen und verhindern zu entwickeln
– patriarchales Verhalten in unserem Alltag zu erkennen und zu ändern, zb. wenn wir Frauen taxieren, dominieren, funktionalisieren oder für unsere politische Arbeit und Reproduktion
– Patriarchale Herrschaft in Beziehung zu anderen Herrschaftsstrukturen, wie Rassismus und Kapitalismus, zu setzen und eine umfassende Form des Widerstandes zu entwickeln
– unsere Sexualität anzusprechen, männliche Lust und Unlust

Eine gemeinsame Männerauseinandersetzung bedeutet für uns ebenso, Unsicherheiten zuzulassen, Misstrauen genau zu prüfen und Vertrauen zu entwickeln. Angst, Streit, Auffangen, sich abgrenzen und aufeinander zugehn, müssen Bestandteile einer solchen Auseinandersetzung sein.

Wir stellen uns folgende Gelegenheiten zur Auseinandersetzung vor:

– in unserer Männergruppe
– in anderen Männergruppen
– in einem übergreifenden Männerplenum oder bei Männerveranstaltungen

In der letzten Zeit haben sich Diskussionen verstärkt, ob es auch in Darmstädter politischen Zusammenhängen Vergewaltiger gibt. Vergewaltiger durchbrechen Grenzen, sie setzen tiefe Verletzungen, die für uns, ausgenommen wir waren selbst Opfer sexueller gewalt, unvorstellbar sind. In einer Situation, wo angenommen wird, dass ein Mann Vergewaltiger sei, sehen wir unsere Aufgabe dain uns mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Uns ist wichtig, dass jede Grenzüberschreitung als Gewalt wahrgenommen wird. Wir unsererseits wissen nicht, an welche Grenzen wir in einer solchen Auseinandersetzung geraten. Wir sind unsicher. Wir setzen uns jedoch zum Ziel, jede Grenze zu hinterfragen und nach allen denkbaren Möglichkeiten zu suchen. Diese können auch außerhalb unserer politischen Zusammenhänge liegen, z.B. im Empfehlen einer Therapie.
Unabhängig davon gilt das Interesse von Frauen und Kindern, Vergewaltiger aus allen gemischten Zusammenhängen auszuschließen. Ihr Selbstschutz ist voll und ganz zu akzeptieren.

Es wäre toll, wenn es zwischen Männern und Frauen über ihr jeweiliges Vorgehen zu einem offenen, einander ernstnehmenden Austausch kommt.

Für uns bleibt die Frage offen, wie wir handeln, wenn sich Vergewaltiger einer Auseinandersetzung völlig entziehen.

Auseinandersetzungen aus FrauenLesbensicht
Wir haben uns dazu entschlossen, diese Stelle hier wegzulassen. Wie üblich aus Platzgründen. Zudem richtet sich der Teil an FrauenLesben und ist somit in einer Männerzeitung auch etwas am falschen Platz. Nachlesen kann mensch den FrauenLesbenteil in der Swing Nr. 54. Bestellt werden kann sie bei: swing / c/o archiv für zeitgeschichte / Große seestr. 61 / 6000 Frankfurt 60 (alte plz) die säzzer

Schlussbemerkung
Wir als Sonntagsgruppe sehen Sexismus als zentrales Unterdrückungsmoment an und werden deshalb die Auseinandersetzung darum weiterführen. Eine getrennte Diskussion unter Frauen und Männern halten wir in unserem gesamten politischen Handeln für wichtig. Wir wollen dies als Teil unserer Diskussionsstruktur beibehalten.

Frauen und Männer der Sonntagsgruppe

raus: Seite 31-35