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Vergewaltigung in Köln – Anfang einer Aufarbeitung sexistischer Verhaltensweisen in der Thebäerstraße

Anfang November haben unterschiedliche Gruppen und Einzelpersonen das ehemalige 4711 -Gelände in der Thebäerstr. 63-69 besetzt. Im Laufe der Besetzung gab es nicht nur positive Erfahrungen. Verachtendes und unterdrückendes Verhalten gegenüber Frauen wurde von uns Männern genau wie in unserem alltäglichen Leben bei der Besetzung nicht einfach an den Toren abgelegt.
Henry ein Mann aus dem Umfeld der Anti-Knast-werkstatt, hat im Laufe der Besetzung eine Frau vergewaltigt.

In einer Gesellschaft mit einer von Männern bestimmten Justiz sind wir als Männer gefordert, uns von der frauenverachtenden juristischen Definition von Vergewaltigung abzuwenden. Eine allgemeingültige Definition von Vergewaltigung können wir nicht liefern. Wir nennen das, was Henry gemacht hat, Vergewaltigung. Für uns bedeutet dieser Begriff nicht nur das gewaltsame Penetrieren von Frauen. Vergewaltigung fängt schon da an, wo die sexuellen Grenzen die eine Frau gesetzt hat, überschritten werden. »NEIN HEißT NEIN!!« Und genau das hat Henry missachtet.

Es gibt verschiedene Gründe. warum wir jetzt erst die Vergewaltigung veröffentlichen. Die Überlegung zu einer Veröffentlichung gab es bereits bei einem ersten. gemischten Treffen. Allerdings waren die Meinungen so verschieden, dass wir keine gemeinsame Verhaltensweise entwickeln konnten. Was wir auf diesem Treffen als Ergebnis erarbeitet haben war, dass Henry das Gelände verlassen musste. Zudem wollten sich Frauen und Männer mit Henry über sein Verhalten auseinandersetzen.
Henry hat das Gelände verlassen Die Auseinandersetzung mit ihm hat, was wir zu unserer eigenen Schande gestehen müssen, so nicht stattgefunden. Bedingt durch die Räumung verzögerte sich die Auseinandersetzung mit Henry und auch die untereinander. Henry suchte die Auseinandersetzung nicht, Erst mit der Aufarbeitung der Besetzung und dem Schmieden von neuen Plänen, kam die Diskussion wieder auf die Vergewaltigung, Dabei kamen verschiedene Widersprüche auf:

  • Handelt es sich bei der Veröffentlichung nicht hauptsächlich um eine Strafaktion?
  • Woher nehmen Männer das Recht, über Männer zu richten?
  • Geht es nicht auch darum, sich als Rächer reinzuwaschen?
  • Gibt es nicht auch die Möglichkeit, Männer bei blöder Anmache ins Leere laufen zu lassen, indem die Frau den Raum verlässt?
    Die Diskussion hatte destruktiven Charakter. Einige können ihre persönliche Sympathie zu Henry nur schwer von politisch erforderlichen Handeln trennen. Diese Widersprüche stellten für einige Gruppen eine weitere Zusammenarbeit in Frage. Unter anderem ergab sich daraus das Bedürfnis der Männer und die Forderung der Frauen nach getrennten Treffen.
    Auf dem ersten Treffen der Männer beschlossen wir, die Vergewaltigung zu veröffentlichen und einen ausführlichen Artikel zu unseren Standpunkten anzuschließen. Wir sehen eine Veröffentlichung nicht als Bestrafungsaktion. Für uns ist dies ein Weg, um Henry und uns selbst wieder stärker in die Auseinandersetzung zu bringen. Das Angebot von Männern für eine Aufarbeitung mit Henry besteht weiterhin. Der Rausschmiss ist nicht die Lösung, sondern hat nur Wirkung, wenn sich andere Gruppen dazu verhalten. Frauen sollen die Möglichkeit haben zu wissen, wem Sie gegenüberstehen. Henry darf nicht übergangslos irgendwo anders weitermachen. Die Diskussion unter uns Männern soll uns eigene Verhaltensweisen deutlich machen und sie soll ermöglichen, Gewalt gegen Frauen bei uns, und da wo es möglich ist, bei anderen Männern wahrzunehmen und einzugreifen. So ist es für uns auch unhaltbar, wenn eine Frau bei lästiger Anmache den Raum verlassen muss. Es liegt auch an uns, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Frauen Männern nicht ausweichen müssen. Wir wollen eine Sensibilität für die Wahrnehmung von Anmache und Belästigung entwickeln.

»Henry rauszuschmeißen heißt im Prinzip auch, ein Stück von uns selbst rauszuschmeißen.« So sind uns im Nachhinein viele eigene sexistische Verhaltensweisen deutlich geworden, die wir während der Besetzung an den Tag legten:

  • Der Redeanteil der Männer war erheblich höher als der der Frauen.
  • Die klassische Rollenaufteilung setzte sich oft durch
  • Mackrige Typen, die die ganze Stimmung bestimmten werden nicht rausgeschmissen, sondern ignoriert bzw. toleriert.
  • Durch Besetzungs- bzw. Räumungsstress wurde Sexismus nicht (oder nur am Rande) zum Thema gemacht.

Erste Schritte unserer Diskussion ist die Einrichtung eines Männercafes und regelmäßige Männertreffen, um ein Forum für eine weitergehende. kontinuierliche Auseinandersetzung zu entwickeln. Wir erhoffen uns unter anderem davon, Kriterien zu schaffen, die wir an Männer innerhalb des Projektes stellen.
Der Rausschmiss ist, sowohl im konkreten Fall Henry, als auch für die Zukunft nicht die Lösung des Problems Sexismus. Mann kann die Scene wechseln und muss sein sexistisches Verhalten nicht ändern. Eine wirkliche Lösung muss eine Änderung im Denken, Fühlen und Handeln herbeiführen. Dies ist die Aufgabe jedes Mannes.

Das Männerplenum
(Quelle Agitare Bene Nr. 68)