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Reaktion aus Berlin drauf

Vorab zur Organisation:

Wir finden es toll, dass sich die Seppls die Mühe gemacht haben, so ein Männertreffen vorzubereiten. Es war für alles gesorgt und der Ort des Treffens war sehr einladend. Die Männerfete am Samstag Abend war auch ganz spaßig. Vor allem die Band hat gut Stimmung gemacht. Großes Lob!
Von der Atmosphäre, auf die wir zu Beginn trafen, waren wir angenehm überrascht. Ebenso fanden wir es gut, dass so viele Männer kamen.

»Heten«

Das erste, das einem von uns aufstieß, war das Schwulenbild von einigen, das (vor allem) während der Vorstellungsrunde zu Tage kam.
Die einzelnen Gruppen stellten sich vor und erzählten auch von gruppeninternen Konflikten, die zwischen Heteros und Schwulen stattfanden. Anzumerken ist hierbei, dass kaum Schwule anwesend waren, wenn sie auch in den wenigsten Gruppen vertreten sind (bzw. sie oftmals die Gruppen verlassen haben).
Unsere Kritik bezieht sich vielmehr darauf, dass Schwule ähnlich »andersartigen Wesen« dargestellt wurden. Dadurch, dass es bei vielen offenkundig wohl kaum eine Auseinandersetzung mit Zwangsheterosexualität gab, wurde Homosexualität als etwas von einem selbst Abgegrenztes betrachtet. Die Konsequenz daraus war, dass Konflikte, die zwischen Heteros und Schwulen mit einer gewissen Distanz gegenüber Schwulen dargestellt wurden. Die Konflikte wurden dann so dargestellt, als wenn sie zwischen zwei unterschiedlichen Welten stattgefunden hätten.
Innerhalb der Männerbewegung ist das sicherlich nichts Neues. Es hat nur gezeigt, dass an dieser Stelle immer noch große Defizite an eigener Auseinandersetzung existieren.

Vergewaltigungsbegriff

Befremdet hat uns auch, wie einige mit dem Begriff Vergewaltigung umgegangen sind. Statements wie z.B. »Da gabs mal eine Vergewaltigung …« drücken unserer Meinung nach eine Sichtweise aus, nach der Vergewaltigungen als etwas Einmaliges, weit von einem Entferntes, verstanden werden.
Wir sehen Vergewaltigungen als krassen Ausdruck alltäglicher Gewaltverhältnisse. Vergewaltigung kommt nicht mal vor, sondern entspringt vor allem unserer Männersexualität. Von daher sollten wir diesen Begriff nicht zuweit von uns weghalten.

»Politprofis«

Eine große Schwierigkeit auf solchen Treffen für uns radikale Linke Männer wird immer sein, sich mit dem Widerspruch antipat. Anspruch/ Politprofitum herumzuschlagen:
die Tendenz, (die sonst auch auf anderen, größeren Treffen vorhanden ist,) ausgestattet mit den besten rhetorischen »Waffen«, mit der besten theoretischen Position, sich klar von anderen abzugrenzen.
In mindestens zwei AGs (AG1 und AG3) hat sich diese Haltung anfangs durchgesetzt. Später haben wir glücklicherweise noch einigermaßen den Bogen gekriegt, nachdem das Redeverhalten angesprochen wurde.
Das Abschlussplenum fanden wir in dieser Hinsicht auch enttäuschend.
Wir hätten es toll gefunden, wenn jeder einzelne noch kurz in einer Schlussrunde seine Kritik/Statement/Gefühl zu dem Treffen vermittelt hätte. Das wäre ein gutes Barometer zur Einschätzung, ob und wann ein weiteres bundesweites Männertreffen stattfinden soll, gewesen.
Anstatt dessen haben einige wenige diese Frage erörtert und zusätzlich über Sinn und Unsinn einer Beteiligung dieses Männertreffens am geplanten autonomen Kongress im Herbst in Berlin diskutiert. Wir fanden die Art und Weise, wie diskutiert wurde, ziemlich wichtigtuerisch und an dieser Stelle die Diskussion über den Autonomenkongress unangebracht.
Es hätte sicherlich ausgereicht, die Information über den geplanten Kongress mit nach Hause zu nehmen, zumal in der Hinsicht eh noch das Meiste unklar ist.
Ein weiterer Kritikpunkt, den wir haben, ist an einigen Stellen der studimäßige, überhebliche Umgang untereinander gewesen. Auch hier wollen wir uns nicht der Kritik an der eigenen Person entziehen:
In unserer AG und im Gespräch mit Männern aus den anderen AGs ist uns aufgestoßen, dass Diskussionen zu wissenschaftlichen Fachdiskursen ausgeartet sind. Es wurde wenig Rücksicht darauf genommen, ob andere dem folgen konnten oder nicht. Lediglich in der AG2 wurde am Ende die Diskussion noch einmal für alle verständlich gemacht. (Auf die Protokolle sind wir ja schon gespannt!)
So wurde in AG1 über einen Diskussionsteilnehmer, dessen Einwürfe wohl nicht in den »Wissenschaftsdiskurs« passten, von einigen polemisch hinweggegangen, was vom Rest der AG durch unser Nichtverhalten toleriert wurde. Eine ähnliche Situation wiederholte sich bei dem gleichen Menschen nochmal in der Abschlussdiskussion.
Wir finden es wichtig, in Zukunft einen genaueren Umgang mit Studi/Nichtstudi und »Wissenschaftsdikursen« zu finden.
Schließlich sollten alle interessierten Männer die Möglichkeit zur Diskussion haben und nicht nur die »Speerspitze« der Intellektuellen.

Schließlich…

Wie schon in der Vorstellungsrunde erwähnt, hatten wir als »Abgesandte« unserer Männergruppe erstmal nur die Absicht, mitzukriegen, was so der Diskussionsstand innerhalb der radikalen Männerbewegung ist und was andere so machen. Unsere Befürchtungen, dass es ziemlich abgehoben abgeht, sind auch eingetreten, dass die Enttäuschung dann nicht groß war. Aber schließlich ist wohl mehrheitlich auch bewusst die theoretische Diskussion gesucht worden.
Vielleicht ist das erstmal wichtig, einen eigenen Standort als radikale/autonome Männerbewegung zu finden. Solange wir dabei nicht immer wieder in diese Politmackerrolle hineingeraten und auch nicht versuchen, uns mehr gegenseitig abzugrenzen, als Gemeinsamkeiten zu suchen und voneinander zu lernen, kann das eine gute Voraussetzung für einen eigenständigen patriarchatskritischen Ansatz werden.
In dem Zusammenhang fanden wir es auch gut mitzukriegen, dass viele den Anspruch haben, mit Männern aus der »alternativen/bürgerlichen« Männerbewegung zusammenzuarbeiten.
Über die Bekanntschaften, die wir, vor allem »am Rande« des Treffens (sprich nach den AGs), schlossen, haben wir uns gefreut. In den Diskussionen mit ihnen kam teilweise mehr für uns rum, als in den AGs selbst.
Nach AG4 (Sexualität und Herrschaft) ist unser Mann der Meinung, dass er Foucaults »Sexualität und Wahrheit« bestimmt nicht lesen wird. Viel Neues hat ihm diese AG nicht beschert. Ansonsten hat auch die Diskussion in AG1 wenig Neues für unseren Menschen gebracht, außer die Kritik an der (Ausschließlichkeit der) Parole »Hinter dem Faschismus steht das Patriarchat«. Trotzdem haben die AGs sicherlich dazu beigetragen, einen Wissens- oder Diskussionsstand »abzugleichen« und einige Diskussionsanreize mitzunehmen. Der erhoffte Erfahrungsaustausch von »praktischer Männerpolitik« kam leider zu kurz. Auch fanden wir, dass 1 l/2 Tage (Sa./So.) zu kurz für so ein Treffen waren. Es hätten noch ruhig ein oder zwei Tage länger dauern können!
Wir finden’s gut, wenn wieder ein Treffen stattfindet. Lieber mit vielen Männergruppen mit Schwerpunkt auf der »Erfahrungs-Austauschebene« als mit wenigen und dafür zu abgehoben oder zu politprofimäßig (die Gefahr besteht!)! Wahrscheinlich reicht es alle 1-2 mal im Jahr aus, wenn Mann sich trifft.

Berlin, 05.02.94 solidarische Grüße!
Zwee Männa fonna

Autonome Männergruppe c/o Infoladen Omega – Sparrstr.21 – 13353 Berlin