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männerrundbrief

„Männerbünde“, Faschismus und Fussball

(Ein Diskussionsbeitrag, der speziell an Männer gerichtet ist)

Am 19./20. April planen faschistische Männerbanden1 im Zuge von Hitlers Geburtstag und einem Fußballländerspiel Aktionen. Die antifaschistische Gegenmobilisierung läuft schon seit geraumer Zeit. In Bezug auf uns linke Männer würden wir lieber den Begriff »Anti-Nazi-Kampf« als »Antifaschismus« gebrauchen, wenn es um dessen praktische Umsetzung geht. »Antifaschismus« würde gemäß seiner ursprünglichen Bedeutung voraussetzen, dass wir bewusst gegen männerbündische und dominante Denk- und Verhaltensweisen kämpfen. Ferner geht es uns um die Diskussion über (Profi-) Fußball und Antifaschismus. Hier sehen wir, dass sich linke Männer darum drücken sich kritisch mit ihrem liebsten (und in der Szene lange Zeit geächtetem) Sport im Zusammenhang mit Männlichkeit auseinanderzusetzen. Dieser Beitrag soll einen »Anstoß« zur kritischen Auseinandersetzung mit Antifaschismus und Fußball hinsichtlich der Männlichkeit liefern.

»Männerbünde« und Faschismus

Vorneweg ein paar Anmerkungen zum historischen Bedeutung des Wortes Faschismus.

Die historische Bedeutung des Begriffes Faschismus (lat.: fascis = Rutenbündel) rührt von Männerbünden her, die sich in Italien nach 1915 gegründet und unter Mussolini 1919 als (Männer-) Kampfbünde formiert haben, um u.a. einen totalitären Staat durchzusetzen, in dem die Männer den öffentlichen Bereich besetzen und die Frauen für den »privaten« Bereich zuständig sind (sprich noch mehr von Herrschaft/Macht ausgeschlossen werden).

Das Rutenbündel (fascis) war nicht nur das Symbol für Mussolinis Faschisten, sondern es war schon im römischen Reich ein Herrschaftszeichen. »Die zum Bündel vereinigten Ruten sollen dokumentieren, dass eine geschlossene Gemeinschaft starker ist als der Einzelne. Das im Rutenbündel gesteckte Beil war ein politisches und religiöses Symbol, denn mit dem Beil wurden sowohl Opfertiere getötet wie Menschen hingerichtet, die sich gegen die staatliche Ordnung vergangen hatten. Im italienischen Wort für Bund, fascio, klingen diese verschiedenen Bedeutungsinhalte noch an« (Wippermann 1989).

Ähnlich der italienischen Bedeutung ist der Faschismus nationalsozialistischer Prägung zu sehen. Adolf Hitler stellte 1934 fest:

»Die Nationalsozialistische Bewegung ist ihrer Natur nach eine männliche Bewegung … Die Richtungsgebung und die Formung seien im öffentlichen Leben zu finden. Zu diesen Aufgaben gehöre vor allem die große politische Sphäre. Diese Sphäre müsse ohne Einschränkung vom Mann verwaltet werden … Wenn die Frauen aus dem öffentlichen Leben ferngehalten werden, dann nicht, weil man auf sie verzichten könne, sondern weil ihnen die größte Ehre zurückgegeben werden solle. Die hervorragende und höchste Berufung der Frau sei immer die als Ehefrau und Mutter und es wäre ein unvorstellbares Unglück, wollte man von diesem Standpunkt abweichen.« (zit. aus: Mi/let, Kate)

Welche krassen Auswirkungen der Nationalsozialismus hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses hatte, setzen wir einfach mal als bekannt voraus.

Leider ist der Aspekt der Männlichkeit2 beim Faschismus bei uns linken Männern nicht weit ins Bewusstsein vorgedrungen. Lediglich der aggressive, offen ausgedrückte Rassismus, der Bestandteil faschistischer Programmatik ist, wird wahrgenommen. Das, was sich in aggressiver Form am (aus-)gelebten Rassismus entlädt, findet sich in anderer, aber nicht weniger aggressiven Form im (alltäglichen) Sexismus wieder. Viel schlimmer noch: die Häufigkeit von Vergewaltigung und Mord an Frauen hat erschreckende Ausmaße angenommen, wird aber von uns Männern im Gegensatz zu Mölln oder Rostock kaum thematisiert (was nicht heißen soll, dass wir Sexismus und Rassismus gegeneinander ausspielen wollen).

Antifaschismus orientiert sich immer noch zu sehr an Feindbildern, als an eigenen patriarchalen Anteilen.

Diese Kritik wollen wir auch an beteiligte Männer von antifaschistischen Publikationen wie z.B. das Antifa¬ Infoblatt richten. Sicherlich ist es gut und wichtig, wenn u.a. Namen und Strukturen der Faschisten veröffentlicht werden. Das ist Bestandteil antifaschistischer Praxis. Jedoch wird mann dort und anderswo in der Szene (zumindest von Männern) nicht mit dem Widerspruch konfrontiert, als Antifaschist gegen eine Form von Männlichkeit zu kämpfen, die mann in einem gewissen Maße selbst verinnerlicht hat. Den Widerspruch von antifaschistischen Kampf und Männlichkeit können wir erst einmal nicht auflösen. Wir finden es aber wichtig, zu lernen, damit umzugehen. Dazu ist es notwendig, uns als Männer mit unseren Gewaltphantasien, unserem Sexismus und unserem Verhalten untereinander zu thematisieren. Ein Ansatzpunkt
dazu kann die Organisierung in der Männergruppe sein, wo die Möglichkeit besteht, den eigenen Körperpanzer
abzulegen und »Männerverhalten« (z.B. mit MRT-Methoden33) aufzuknacken. »Der Riss zwischen dem Möglichen und dem, was sich realisieren lässt, entsteht durch die Distanz zur Herrschaft.« (Erdheim) Als Antifaschisten finden wir es hier wichtig, uns folgende Fragen zu beantworten:

I Empfinden wir ein Gefühl der männlichen Dominanz, wenn wir Faschisten jagen?

II Welche Gewaltphantasien laufen dabei bei uns ab?

III Wie kommt es, dass in Antifagruppen im Vergleich zu anderen Gruppen (z.B. Antirassismus) die meisten Männer organisiert sind?

Die Erscheinungsform von Männerbünden betrifft nicht nur Faschisten oder ist die vornehmliche Domäne von Burschenschaften, Militär, Bullerei oder der katholischen Kirche. Es geht hier vorrangig um das was dahintersteht einen Männerfreiraum aufzubauen, wo es unter Ausschluss von Frauen um die Verteilung und Sicherung gesellschaftlicher (Männer-) Macht/Herrschaft geht. Weiterhin werden hier diejenigen Denk- und Verhaltensweisen vermittelt und konserviert, die das gesellschaftliche Verhältnis zwischen den Geschlechtern festschreiben (Erdheim 1990). Die Flammenden Herzen schreiben hierzu:

»Mit der Zurichtung zum herrschenden Mann werden Männern kumpelhafte und kameradschaftliche Verkehrs- und Kommunikationsformen aufgezwungen und ihnen wird von früh auf beigebracht, dass es sich dabei um wahre Männerfreundschaften handele. Zu diesem Verhalten gehört sowohl der distanziert geregelte Umgang der Männer miteinander, als auch der gewalttätige Umgang mit Frauen. Die Übertretung und Abweichungen der (zwangsheterosexuellen) Umgangsformen(l)n werden von der Männergesellschaft verschiedentlich sanktioniert und geächtet. Selbst der beste Freund wird in Gestalt des Kumpels und Kameraden zum Kontrolleur dieser erbärmlichen Zustände. Nur diese kumpelhaften Umgangsformen und der Selbsthass ermöglichen Männern, bzw. herrschenden Institutionen den Zugriff auf die Köpfe ›abtrünniger‹ Männer, um diese ständig einfangen zu können und für das System der Herrschaft funktionalisieren zu können.«

In die Gefahr der Männerbündelei (im o.g. Sinne) geraten aber auch Männergruppen, die es nicht schaffen, über die theoretische Auseinandersetzung mit dem Patriarchat hinauszukommen und die letztendlich für den einzelnen Mann keine Perspektive zum Umgang mit dem Widerspruch Anspruch/Wirklichkeit bzw. zur Selbstveränderung bieten können.

Nun zurück zum Antifaschismus. Dieser Männerfreiraum, von dem wir hier sprechen, wird teils auch in gemischten Gruppen seitens der Männer angestrebt. Das äußert sich dann in der Form, dass abstrakt ausgedrückt, die Frauen (bewusst oder unbewusst) aus den Kommunikationsstrukturen ausgeschlossen werden sollen. Bildhaft dargestellt sieht das z.B. so aus, dass sich Männer, vehementer als sonst, in Diskussionen über Militanz, Strategien etc. durchzusetzen versuchen und wir das als unsere Domäne betrachten. Nicht selten sind Frauen über Mackermilitanzgehabe abgenervt. Frauen sollen hier in »ihre« Bereiche zurückgedrängt werden und Männer sind für Strategie und »harte Auseinandersetzungen« zuständig. Dieses Verhalten richtet sich also gegen Frauenkämpfe und kann nur als politisch rechts gewertet werden.

»Antifaschistischer Fußball«

Eine anderer männerbündischer Bereich in der Gesellschaft ist der Profi-Fußball.4 Dadurch, dass der Fußball innerhalb der Linken immer wieder als »Proletensport«, »Mackersport« etc. geächtet wurde, ohne dass darüber eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfand, haben sich Männer lange Zeit nicht getraut, sich öffentlich zu ihrem »Lieblingssport« zu bekennen. Das hat sich seit den letzten Jahren geändert. Anlass war 1983 die deutschtümelnde Gewalttätigkeit nach/während des Spiels Deutschland gegen Türkei und später die verstärkten Angriffe von Faschohools gegen (vor allem) MigrantInnen. Spätestens vor 5 Jahren, als BFC-Hools linke Strukturen angriffen, entstanden hier in Berlin, nach dem Vorbild von »St.Pauli Fans gegen rechts«, die »Fußballfaninitiativen gegen rechts«, »Fanprojekte gegen Nazis«, etc.

Es soll nichts dagegen gesagt werden, dass Menschen (oder: vorwiegend Männer) in »ihrem Bereich« Anknüpfungspunkte an andere Fußballfans suchen, um zusammen der rechten Gewalt, in und um das Stadion, etwas entgegenzusetzen. Seitdem es diese Fanprojekte/Fußballfaninitiativen gegen rechts gibt, haben sich die organisierten Faschos größtenteils aus vielen Fußballstadien verabschiedet. Innerhalb der linken Fanszene findet, wenn auch in zaghaften Ansätzen, eine Auseinandersetzung über Rassismus/Nationalismus (auch) über Fußball-Fanzines wie z.B.: Victory (Türkiyem Spor), Abseits (SV Babelsberg), Unhaltbar (St.Pauli), Der Übersteige (St.Pauli)… etc. statt. Weiterhin gibt es zwei neuere Bücher, die versuchen, die sozialen Bedingungen rund um den Fußball zu beleuchten (»Der gezähmte Fußball« und »Fußball und Rassismus«). Leider findet die kritische Auseinandersetzung um Männlichkeit in diesen Publikationen so gut wie gar nicht statt. Das einzige, was dem entgegengesetzt wird, ist der Versuch von fußballspielenden Frauen, sich in diese Männerdomäne vorzuwagen. Da wir uns, wie anfangs erwähnt, an die Männer wenden, wollen wir uns nicht zu Frauenfußball äußern (zumal wir davon eh wenig Ahnung haben).

Problematisch sehen wir im »Fußball gegen rechts«, dass sich auch hier unter dem Vorzeichen des »Antifaschismus« Strukturen aufbauen, die ziemlich männerdominiert, wenn nicht männerbündisch, sind. Inwieweit bzw. wieviel solche Fan-Inis oder Projekte selber reproduzieren, was im Stadion in Bezug zur Männlichkeit abläuft, können wir an dieser Stelle nicht beurteilen. Unsere Kritik richtet sich vielmehr daran, dass wir die Auseinandersetzung über Antifaschismus, Fußball und Männlichkeit hier vermissen und deshalb die Gefahr sehen, dass eine Verfestigung männerbündischer Strukturen und eine Reproduktion der Männlichkeit, wenn auch in umgewandelte Form, vonstatten geht. Die nachfolgenden Zeilen sollen sich als eine Art Diskussionsbeitrag besonders an diejenigen Männer richten, die sich den Fußball als politischen Teilbereich ausgesucht haben.

Fußballstadien sind Orte, an denen männliches Machtgehabe in einer besonderen Form zum Ausdruck kommt. Becker schreibt dazu: »Auch wenn keine exakten statistischen Zahlen über den weiblichen Anteil der Fanszene vorliegen (Vermutungen liegen bei einem Verhältnis von neun zu eins), so kann mensch doch ohne Verzerrung der Situation Stehkurven und Stadionumfeld als Reservate angehender Männer bezeichnen, deren Aktivitäten und Praktiken – seien es die Formen ihrer körperlichen Inszenierung, die Texte ihrer Lieder und Sprechchöre, ihr Umgang mit Frauen, ihr Trinkverhalten, die Inhalte ihrer Magazine oder ihre Rechtfertigungsmuster – stets Variationen der miteinander eng verknüpften Themen »Macht« und »Ehre« darstellen. […] Die jeweiligen Spielorte und Stehkurven sind die Zentren realen oder imaginierten (eingebildeten) Machtbewusstseins. Von den heimischen Fans werden sie verteidigt und von den gegnerischen zu erobern versucht.« Es soll hier aber auch nicht der Eindruck entstehen, dass es nur um die Stehkurven geht oder sich alle Fans gleich-stererotyp verhalten. Wir würden behaupten, dass sich über die sozialen Schichten hinweg diese patriarchalische/männerbündische Inszenierung ausdrückt (bei Fans von z.B. Türkiyem Spor anders als z.B. bei Fans von St.Pauli). In den Stehkurven wohl am stärksten – auf den Sitzplätzen abgeschwächter. dass es sich bei der Auswahl der Plätze im Stadion um eine »Klassenfrage« (Stehplätze sind billiger) handelt, glauben wir erst einmal weniger und ist auch nicht eindeutig nachzuweisen. Ebenso finden wir die Frage, ob sich nun Männer aus der Ober-

In Bezug auf Männerbündelei macht es oft nur wenig Unterschied, welche Parolen gegrölt werden (ein kollektives, hasserfülltes, männliches »Nazis Raus« kann auf Nicht-Rechte bedrohlicher wirken als z.B. eine gängige Fußballparole). Auch die männlichen Gebärden, Sprücheklopferei und der Kult ums Biersaufen5 »gehören eben dazu«.

Ein besonders aggressives Männlichkeitsgehabe ist z.B. bei Hools, die als Männercliquen unterwegs sind und gerne prügeln, zu sehen.

Die Rolle von (männlichen) Hools, die sich gerne prügeln, beschreibt Becker folgendermaßen:

»Sich als »richtiger« Fan, das heißt, sich ehrenhaft zu verhalten, verlangt, sein Verhalten an diese Tugenden zu orientieren. Macht und Ehre, Respekt und Achtung besitzen nur diejenigen Fans, die in der Lage sind, sich durch Aktivitäten, in denen der Wertekodex zum Ausdruck kommt, gegen verbale und körperliche Angriffe zu verteidigen oder sie selbst zu führen. […] Macht ist allerdings nichts beständiges und Ehre ist leicht verletzbar. Daraus entsteht einerseits der Zwang, Machtpositionen gegen konkurrierende Fangruppen verteidigen zu müssen und andererseits die Notwendigkeit, Provokationen und Beleidigungen mit entsprechenden Aktionen zu beantworten. « Viele Hools verstehen sich als unpolitisch und werden aufgrund ihrer »Prügelfreude« gerne vorschnell mit den (organisierten) Faschos in einen Topf geworfen. Sicherlich ist der Schritt zu den Rechten kleiner als der zu den Linken, da die hier ausgedrückten Männlichkeitswerte von den Faschos mehr »auf die Spitze getrieben« werden. Doch wird unserer Meinung nach weniger der Rechtsextremismus als der Männlichkeitswahn in den Stadien vorangetrieben.

Ein Fußballspiel ist (wie z.B. Football, Handball oder Eishockey auch) außerdem ein Ereignis, bei dem es neben der Darstellung »schöner Techniken« um (männliche) Werte wie Durchsetzungsfähigkeit, Mut, Kampfbereitschaft, Körperkraft, Leistung und die geschlossene Gemeinschaft (i.d.R. MANNschaft; natürlich gibt es auch Frauen, die Profifußball spielen, doch finden sie wenig Beachtung), die versucht eine gewisse Ordnung und durchstrukturierte Übersichtlichkeit auf dem Spielfeld herzustellen. »Unmännliche« Werte wie »Feigheit«, »Weichlichkeit«, Homosexualität, etc. gehören dieser Logik entsprechend nicht ins Fußballstadion. Höchstens als Schimpfwörter werden sie benutzt (z.B. »der Schiedsrichter ist eine »schwule Sau««). Auch der/die ZuschauerIn muss die Kontrolle und den Überblick über das Spielfeld bewahren können. Regelverstöße gegen diese »Ordnung« werden von einem (Schieds-) Richter »bestraft«. Wird ein Tor erzielt, so setzt der (kontrollierte) »kollektive Massenorgasmus«, als Entladen aufgestauter Energien, ein und die Fans fallen sich um den Hals und stimmen in der Masse Lobeshymnen an.

Den »Massenaspekt« sieht Theweleit als einen zentralen Punkt in der Beschreibung des soldatischen Mannes (der mehr oder weniger in jedem Mann steckt, hier jedoch als Kampfbegriff gebraucht wird). Einerseits stellt sie für den soldatischen Mann etwas Bedrohliches (weil fließend, vermischend und unüberschaubar; die Berührungsfurcht ist da, etc.), andererseits zieht ihn die Masse an: »Er sieht die Masse nicht nur als einen Körper, sie ist auch ein Körper […]. Die Menschen in der Masse berühren und entgrenzen sich gerade durch ihre große Dichte. Man müsste blind sein, nicht zu sehen, dass da Vorgänge ablaufen, die der Vermischung der Liebenden verwandt sind. Die Lüste in der Masse projiziert der Soldat also nicht einfach hinein.« Ein hervorstehendes Merkmal der Masse ist auch die reale Bedeutungslosigkeit des Individuums in ihr. Auf der anderen Seite fühlt sich der Einzelne stark in der Identifikation mit »fremden« Werten, zu denen er selber nichts beizutragen hat Der Fan spielt schließlich nicht auf dem Spielfeld. Die Gruppenzugehörigkeit zu anderen Fans spielt sich über abstrakte Werte wie Leistung, Konkurrenz oder Härte ab. Letztlich kommen im Profifußball Werte zum tragen, wie sie im kapitalistischen Alltag abverlangt werden.
Wie sehr diese Leistungskomponente hier eine Rolle spielt, kann mensch daran sehen, dass Fußballfans i.d.R. auf
abstrakte Leistungsnachweise wie Tabellen, Spielergebnisse etc. abfahren. Dabei ist es stets wichtig, dass der »eigene« Verein den Aufstieg innerhalb dieser Hierarchien schafft und sich gegen andere Vereine durchsetzt. Die Identifizierung mit dem »eigenen« Verein reicht z.T. soweit, dass einzelne Spieler (die letztlich als Personen anonym bleiben) aufgrund ihrer Leistungen zu »Lieblingen« stilisiert werden und ein Kult um die Mannschaft veranstaltet wird.

Ein weiteres Problem, welches immer wieder in Fußballstadien auftaucht, ist der offene Rassismus und Nationalismus.
Nicht von ungefähr kommt der Deutschlandkult bei Länderspielen: Fans identifizieren sich über die Nationalmannschaft mit einem abstrakten Gebilde (Deutschland), für das diese Fußballer spielen, nachdem sie die Nationalhymne geträllert haben. Es ist hier vom »Deutschen Fußball«, »Unseren Jungs«, »den Franzosen«, etc. die Rede. Jedoch ist es an diesem Punkt noch einmal wichtig zu sehen, dass antifaschistische Fußballfan-Inis diesem Nationalismus entgegentreten. In einem der beiden Nachfolgepublikationen vom Hamburger St.Pauli-Fanzine »Millerntor«, dem Fanzine »Unhaltbar« steht u.a. zum 20.4.: »Ich höre es schon, wie sie (DFB) uns wieder vorwerfen, wir würden Fußball und Politik verwechseln… Aber – wer verwechselt da was? Wer spielt die Nationalhymne bei einem Fußballspiel (wahrlich eine staatstragende Veranstaltung)? Spielt da eine Auswahl des DFB oder ›Deutschland‹?«.
Nichtsdestotrotz eignet sich Profi-Fußball als Medium gut dazu, Nationalismus und völkisches Denken zu transportieren.
Nicht umsonst gehört es zum Repertoire von Sozialarbeiterlnnen, dass rechtsextreme, »deutsche« Jugendliche gegen »ausländische« Jugendliche im Fußballspiel antreten sollen, damit ein vielbeschworener »Kulturkonflikt« (früher hieß es »Rassenkonflikt«) auf diese Weise »ausgetragen« wird. Letztendlich ist es auch das, was den Faschos entgegenkommt, da auf diese Weise die »Eigenständigkeit und Besonderheit« der jeweiligen »Kultur« gewahrt bleibt (»Ethnopluralismus«). Das Ergebnis dieses Ansatzes heißt dann »Völkerverständigung« (nicht Individuen, sondern Völker verständigen sich; als wenn die Ursache für Rassismus in der Verschiedenheit von Völkern liegen würde…!)

Zu guter Letzt

…wollen wir Fußballspielen an sich nicht verdammen. Wir hoffen an diesem Punkt nicht missverstanden worden zu sein. Das Interesse am Fußball muss sich ja nicht unbedingt am Profifußball orientieren. Wem es um die ausgefeilten Spielzüge und Hochleistungen geht, sollte abwägen, inwieweit er/sie sich dabei auf die o.g. »Schattenseiten« einlässt. Anstatt mal wieder ein Tabu durch Szenemoral aufzustellen, wollen wir darauf hoffen, dass dieser Beitrag kritische Anregungen gegeben hat.

Für einen zärtlichen und solidarischen Umgang untereinander!

Ein Beitrag aus der
Autonomen Männergruppe
Berlin, 1.April ’94