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Betrifft: Umgang mit VERGEWALTIGERN

Beitrag zu den beiden Papieren aus HH zum Steckbrief des Vergewaltigers »Buddy«

Hallo nach Hamburg!
Vorausgeschickt sei, daß ich mich lediglich auf der Basis des Steckbriefes, der beiden Texte und des Wissens, in welchem Haus die Vergewaltigung stattfand, äußern kann. Ich kenne Buddy nicht. Sonst könnte ich anders schreiben.
Ich finde, daß beide Papiere Versuche von »Umgang« mit einem (den Schreiberinnen und Schreibern aus HH persönlich bekannten) Vergewaltiger beschreiben, die sich sehr viel Mühe geben, die Möglichkeiten eines Weges auszuloten, an dessen Ende eine konkrete Veränderung des Vergewaltigers stehen soll: Er sich also durch eine Form der Therapie und Auseinandersetzung mit seiner Vergewaltigungstat dahingehend entwickelt, daß weitere Vergewaltigungen bzw. die Benutzung männlicher und sexueller Macht gegen Frauen nicht mehr geschehen.
Die Schlüsse jedoch, die ihr aus euren (aus eurer Sicht gescheiterten) Bemühungen zieht, halte ich nicht für folgerichtig und notwendig.

In beiden texten wird der Begriff »Therapie« benutzt, ohne daß ihr erklärt, was ihr – konkreter als oben benannt – und vor allem orientiert an einer therapeutischen Praxis, darunter eigentlich versteht.
Ihr hattet keine Erfahrung mit dem Gesamtkomplex, was zu einer Odyssee im gewirr der »angebotenen« psychologischen und psychosozialen Therapiekonzepte führte, die euch viel Kraft kostete und letztlich auch die Perspektive nahm.
Aber ein wenig naiv finde ich es schon, davon auszugehen, daß die gesellschaftspolitisch angewandte und meistenteils geförderte, damit systemimmanente und patriarchale Palette der »therapeutischen Angebote« fortschrittliche Ansätze bei der Täterarbeit mit Vergewaltigern zu bieten habe. Das Patriarchat als Problem kommt da z.B. doch nirgendwo überhaupt vor und damit ist’s schon einfach Müll.
In dem Männerpapier, welches richtigerweise »die Auseinandersetzung des Vergewaltigers mit seiner Tat, seinem verhältnis zu Frauen allgemein und zu seiner eigenen Persönlichkeit« als einzig positiv formulierbare Chance im Gegensatz zu sozialer Isolierung und/oder »auf’s Maul hauen« benennt, kam das für mich so rüber:

Ihr habt die bestehenden Angebote (Therapieformen und -plätze) ausgecheckt, wobei frustrierenderweise nichts gescheites dabei war. Dann habt ihr (mangels Alternativen) eine ziemlich an der Problematik vorbeigehende Kompromisslösung versucht, die mit dem Abbruch der Drogentherapie schief ging.
Viel investiert – nichts dabei herausgekommen. So in etwa habe ich nicht nur eures, sondern auch das Resumee der Analyse der Frauen verstanden.
Kann es nun eine solche »Therapie« geben oder eben nicht? Ich habe zu beider Texte Schlußfolgerungen andere Auffassungen, bzw. einige Anmerkungen zur Diskussion zu stellen, die zu führen midestens dazu gut sein kann, klarer sagen zu können, wie mit Vergewaltigern als Personen angemessen umzugehen ist.
Die Frauen am Schluß ihres Textes »haben mittlerweile gemerkt, daß es zu bezweifeln ist, ob es die therapie für vergewaltiger geben kann, weil die ursache für vergewaltigung nicht in einer psychischen krankheit liegt, sondern im patriarchat.«
Das ist doch kein Widerspruch. Hier verbaut ihr euch den Zugang zum Subjekt (welcher auch für Therapien unerläßlich ist) nach dem Motto: Erst wenn das Patriarchat weg ist, dann geht irgendwas …
Das Patriarchat erzeugt als gesellschaftliches Machtverhältnis leider sehr viele psychische »Krankheiten«. Ganz wichtig: Unvergleichbare, aber trotzdem bei Frauen und Männern.

So es um die Täterarbeit mit Vergewaltigern geht, muß demnach die gesellschaftliche patriarchale Realität Grundlage für ein »Therapie« sein.
Doch selbst von solch einer »Therapie« darf nicht verlangt werden, die Männerherrschaft zu beenden, eine »Therapie« kann keine Revolution sein. Dennoch: Wieso sollte es unter bestimmten Bedingungen nicht möglich sein, daß eine Form der Täterarbeit einen bestimmten Vergewaltigern dazu führen kann, SICH zu verändern?
Welchen, die jetzt mit dem Stempel »Psychologisierung« müde abwinken sei nochmal gesagt, daß es mir beim Thema »Therapie« nicht um eine nebulöse »schwere Kindheit« oder um sexistische Analysen a la Freud geht, sondern um knallharte, patriarchale Sozialisation und ihre gesellschaftliche wie individuelle Bearbeitung.
An dieser Stelle kritisiere ich auch das Männerpapier, für das der Ansatz »Therapie« »eher mit der Frage zusammenhängt, warum ein teil der Männer dieser Gesellschaft sexuelle Gewalt bis zur Vergewaltigung ausübt und ein anderer Teil der Männer dies nicht tut«. Ich lese das als Dualismus, als Denken und Einteilen in »gut/schlecht« -Kategorien; eine Konstruktion, die sich schon vor einiger Zeit auch beim Thema Rassismus als vollkommen die eigene, privilegierte Realität ausblendend erwiesen hat. Die »Unterschiede in der Persönlichkeitsstruktur«, die ihr als möglichen Ansatz für eine »Therapie« hervorhebt, liegen zuallererst in der allgemeinen wie spezifischen Sozialisatzion und der Geschichte des Patriarchats wie des einzelnen Typen begründet, was ihr nicht dazuschreibt, eine »Therapie« aber trotz der Hinwendung zum jeweiligen Subjekt nicht völlig beliebig macht.

Noch ein paar Ansatzpunkte für die Praxis:
Eine erfolgversprechende »Therapie« muß sich beziehen auf einen bestimmten Täter mit seinen Bedingungen, es kann also keine Patentrezepte geben.
Und, wie bereits erwähnt, ist sie entweder systemimmanent (= unbrauchbar) oder sie ist »selbstproduziert«. Auf einen bestimmten Fall bezogen, können das natürlich am besten die Menschen, die den Vergewaltiger kennen, denen seine Geschichte und sein Umfeld bekannt sind, die ihn also halbwegs einschätzen können, nicht zuletzt, was die Glaubwürdigkeit der von ihm geäußerten Absichten oder Einschätzungen betrifft.
Selbstverständlich ist sowas für eine Handvoll Menschen überhaupt nicht leistbar, insofern müssten weitere Zusammenhänge einbezogen werden, die durch die Infos derer, die ihn kennen, auf den stand gebracht werden.
Unabdingbare Voraussetzung für einen »Erfolg« in einer solchen Auseinandersetzung ist natürlich auch, daß der Vergewaltiger den gesamten Prozeß aktiv mitträgt. Dies ist zwingend, um überhaupt »Therapie« denken zu können, alles andere ist Gehirnwäsche. Im Fall BUDDY schien mir das der Fall zu sein nach euren Beschreibungen; Wer sich »freiwillig« in eine geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Klinik begibt, einer Institution, die alles meist nur schlimmer macht, betäubt und wegschließt, der könnte es zumindest ernst meinen mit dem Willen zu SEINER Veränderung.
Aktive Mitarbeit heißt: Es liegt an Buddy, sich z.B. so zu verhalten, daß es euch eben nicht die letzten Kräfte kostet. An ihm allein.
Ich denke, dem Vergewaltiger ist eine ganze Menge zumutbar, sein Leben muß sich verändern, die Auseinandersetzungen, die er zu führen hat, sind vielfältig und intensiv zu führen, seine Entwicklung muß durch sein Umfeld überprüft und bewertet werden. Aber auch diejenigen, die die Bedingungen stellen, müssen sich ihrer Verantwortung bewußt sein, sowohl gegenüber ALLEN Frauen wie auch gegenüber dem Vergewaltiger.
Zu ermöglichen ist die Praxis einer so aufgebauten »Therapie« nur durch eine ausführliche und bundesweite Diskussion innerhalb »unserer« Zusammenhänge. Ihr habt nicht zufällig nichts gefunden, die Erarbeitung eines vernünftigen Konzeptes steht einfach noch aus, obwohl das Problem steinalt ist und die Zahl sexueller Gewalttäter in der Szene höher ist, als alle wahrhaben wollen. Ebenso geht diese Frage tatsächlich zumindest alle Typen aus gemischten Zusammenhängen an, sexuelle Gewalt wird, ob HH, Berlin oder im hintersten Dorf »verübt«.
Einer bundesweiten Konzepterarbeitung müsste selbstverständlich eine bundesweite Praxis folgen. Gemeinsame Umsetzung hieße dann, daß die Last nicht ausschließlich vom unmittelbaren Umfeld des Vergewaltigers getragen werden muß, sondern verschiedene Gruppen und Zusammenhänge sich an der speziellen Auseinandersetzung, der Unterbringung und der »Überwachung« beteiligen. Erfahrungswerte könnten zielgerichtet ausgetauscht werden, damit die »Therapie« weiter entwickelt und verbessert wird.
Gemessen am »Stand der Dinge« sind das idealistische Spinnereien. Doch ich bleibe dabei: Möglich wäre sowas mit einer gemeinsamen Erarbeitung schon, wichtig genug ist es allemal und eventuell haben eure beiden Papiere, eure Gedanken und Anstrengungen durchaus den Anstoß geliefert, diese Diskussion endlich einmal mit der Wichtigkeit und Konsequenz zu führen, die nötig ist, um etwas auf die Beine zu stellen. Wenn nicht, ist, so denke ich, alles antipatriarchal etikettieren in gemischten Zusammenhängen nur Heißluft.

dr. aut. Seppo schwarzkittel, 6.8.93