In der konkret 3/93 beschäftigte sich Eckhard Renscheid in seinem Beitrag »Sie muß verrückt sein« mit der in Paderborn lebenden Germanistikprofessorin Gertrud Höhler, der an sexistischen und frauenverachtenden Klischees kaum noch zu überbieten ist.
Gegenstand von Henscheids nicht nachvollziehbarer Ereiferung sind zwei Werbefotos der Kreditkartenfirma American Express, für die sich G. Höhler zur Verfügung gestellt hatte.
Das erste Foto zeigt die Germanistikprofessorin in einem bildungsbürgerlichen Arbeitszimmer. Im Hintergrund eine Bücherwand blickt sie, halb sitzend an einen Schreibtisch gelehnt, gedankenverloren in Richtung des Lesers/der Leserin. Vor ihr, zu ihren Füßen liegend, ihr Sohn Abel auf einem Perserteppich.
Auf dem zweiten Foto selbige, mit wehenden Haaren auf einem Pferd durch ein sonnenbeschienenes Kornfeld gallopierend.
Zugegeben: Die Aufnahmen der Fotografin A. Leibovitz zeugen nicht gerade von künstlerischem Feingefühl; sie wirken stilisiert, ja übertrieben kitschig schon.
Und dennoch: Die widerlichen und pseudo-psychologischen Ergüsse Henscheids – und nur um diese geht es hier – haben mit den Werbefotos, und seien diese noch so kitschig, nichts zu tun.
Denn, woraus läßt sich aus diesen Aufnahmen schließen, dass diese Frau »völlig verrückt sei«, wie uns der Autor immer und immer wieder, ja bis zum Erbrechen (fünfzehnmal auf zwei Seiten!) glauben machen möchte?
Verrückt ist sie in den Augen eines engstirnigen und klassischen »linken« Mackers, der die Zurechnungsfähigkeit von Frauen danach bemißt, ob sie im Klassenwiderspruch auf der »richtigen« Seite stehen; und G. Höhler arbeitet als Unternehmens- und Kanzlerberaterin eindeutig für die falsche Seite. Und obwohl G. Höhler sicherlich nicht die einzige Frau ist, die für das Kapital arbeitet, scheint diese Tatsache – auch nach längerem Suchen – der einzig greifbare Grund für Henscheids Ereiferung zu sein, dass eine derart motivierte Zuschreibung (Frau als »aufgescheuchte Schwerverrückte«) nichts anderes ist als ein auch in der traditionellen Linken bis heute übliches Instrument zur Psychiatrisierung von Frauen, ist allzu offensichtlich.
Und was an dieser Anhäufung dumpfer Männerphantasien ist eigentlich Satire, wie die taz vom 1.4.93 in einem kürzeren Beitrag dem konkret-Autor Rückendeckung gibt? Auch dem/der Verfasserln(?) der taz-Meldung ist es unbegreiflich, warum sich Frau Höhler so dermaßen über einen Artikel empört, in dem sie »in satirischer Weise« (taz) Henscheids gesammelte frauenverachtende Klischees über sich ergehen lassen muß.
Unterstellen wir den Klassenwiderspruch als Ausgangspunkt seiner Erregung, dann sind seine intellektuellen Ergüsse einem traditionellen Weltbild geschuldet, in dem dieser klassische Hauptwiderspruch andere Widersprüche und somit auch den patriarchalen auf einen Nebenschauplatz verweist, der Sexismus als legitimes Mittel zur »Feindbekämpfung« nicht ausschließt. Und diese spezifisch männliche Form der »Feindbekämpfung« (vorausgesetzt, der Feind ist weiblich) reproduziert in der männlichen Linken die von Henscheid »exzellent« vorgeführten reaktionären und frauenverachtenden Denkmuster.
Doch entbehren diese Denkmuster von Seiten etlicher Leser vermutlich nicht eines gewissen Verständnisses oder gar Bestätigung. Wie verbreitet ist doch unter Männern der Spruch, man(n) müsse frau nur mal »so richtig durchbumsen«, dann wird sie schon wieder »normal« werden. Peinlich nur, dass dieser Spruch in zwei Zeilen das auf den Punkt bringt, wofür Henscheid volle zwei Seiten gebraucht hat.
Und: Es müßte für einen »linken Intellektuellen« eigentlich auch ein erträgliches Maß an Peinlichkeit übersteigen, mit derart reaktionärem frauenfeindlichen Gedankengut aufzuwarten in einer Zeit, in der zumindest in Teilen der (wenn auch überwiegend feministischen) Linken über sexuelle Gewalt, Massenvergewaltigung als Kriegsinstrument patriarchaler Gesellschaften und somit auch über die sie tragenden Denkmuster diskutiert wird.
Und vor allem: Diese Gedanken dienen nicht Abel noch uns zur Lust, wie Henscheid seine Phantasien anpreist, sie dienen allein der intellektuellen Befriedigung seiner eigenen dumpfen Männerphantasien.
Ja, lieber Genosse Eckhard, bleibt Dir nur noch zu wünschen, dass G. Höhlers Anwältinnen mit ihrer Klage Erfolg haben und ordentlich Schmerzensgeld für ihre Mandantin rausschlagen (was den Klassenwiderspruch zwischen euch – materiell gesehen – nochmal etwas vergrößert). Schade nur, dass die gequälten konkret-Leserinnen für ihre Übelkeit beim Lesen nicht entschädigt werden.
cn