Im letzten Rundbrief war eine Reaktion auf den Tenkile Text »Zum Gewaltverhältnis zwischen den Geschlechtern« abgedruckt. Viele Männers haben sich bei uns darüber beschwert das der Tenkile-Text selber nicht abgedruckt war sondern lediglich die Reaktionen darauf. Daher an dieser Stelle noch der Text »Zum Gewaltverhältniss zwischen den Geschlechtern« von den Tenkiles.
Ein zweiter Grund den Text noch abzudrucken ist, dass Tenkile uns eine Reaktion auf das Jedi- Papier in der letzten Nummer zugeschickt hat, die wir ebenfalls hier abdrucken. An alle die nun wieder das Jedi-Papier nicht kennen sei gesagt das wir von der Nr. 1 mit dem Jedi-Text noch welche auf Lager haben, die ihr bestellen könnt. Nu abba mal genug der Vorreden.
Das Gewaltverhältnis zwischen den Geschlechtern
In der ganzen Auseinandersetzung um die weitere Perspektive revoltutionärer Politik scheint diese Frage kaum oder gar keine Bedeutung zu haben. Bei der RAF suchen wir in den neuesten Papieren vergeblich nach diesem Antagonismus. Einzig im Zusammenhang »steigender Gewalt« in der Gesellschaft wird die Existenz von frauen erkennbar, als Opfer, die von lesben konkret im Kontext von naziterror. Bei der RZ ist es schon mal anders. Während eine Ex-RZ in ihrem Auflösungspapier die verpasste Chance beklagt: »[…] Historisch gesehen hätten wir vielleicht einen emanzipatorischen beitrag zur Patriarchatsdiskussion leisten können, wenn es uns gelungen wäre, mit den Frauen der Roten Zora eine gemeinsame Politik zu entwickeln, anstatt ihnen durch unsere Ansichten und unser Verhalten die Trennung von uns nahe zu legen. Aber das ist eine andere Geschichte« (RZ Januar ’92). Eine weitere RZ im Mai ’92: »[…] Wir begeben uns bewusst und sehenden Auges in einen Prozess, dessen erklärtes Ziel die Verunsicherung und Demontage männlich dominierten Denkens und Handlens ist […]«. Wir stimmen mit dieser letzten Feststellung überein, müssen aber sogleich zur kenntnis nehmen, dass es bei der RZ erstmal dabei bleibt. Auch die weiteren papiere sind bestimmt von diesem »Auslassen der gewaltfrage zwischen den Geschlechtern«. Die Ausnahme, wie sollte es auch anders sein, bilden Papiere, welche klar als von frauen geschrieben erkannt werden können. Nach wie vor scheint die Auseinandersetzung um Patriarchat und Gewalt unter revolutionären Männern, wenn überhaupt, vor allem im »privaten« Beziehungsbereich stattzufinden. Im »politischen« Alltag findet sie ihren rethorischen niederschlag bestenfalls in der Parole »Kampf dem Patriarchat«.
Es soll ein ziel dieses textes sein, die Trennung zwischen politisch und privat auch in diesem Bereich aufzuheben und darüber den revolutionären prozess unter Männern voranzutreiben.
Die historische grundlagen für unsere Auseinandersetzungen und unsere Schlussfolgerungen bewegen sich im zeitlichen rahmen von der großen europaweiten »Hexen-«vernichtung über die bürgerliche revolution zur frühen und zur aktuellen kommunistischen bewegung.
In diesem text wird viel von einem »proletarischen« bzw. »marxistisch-leninistischen« Verständnis die Rede sein. Wir verwenden diese begrifflichkeit, weil wir davon ausgehen, dass sie uns in unserem Widerstand maßgeblich geprägt at und weiterhin prägt. Das hängt damit zusammen, dass ie vor allem von Männern entwickelt wurde und sich immer, ob bewusst oder unbewusst, in unserer herangehensweise reproduziert. Beide Begriffe, »proletarisch« oder »marxistisch-leninistisch« stehen für einen offenen bzw. verdeckten Führungsanspruch der weißen männlichen Linken. Es geht uns keineswegs darum, den marxismus auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Vielmehr soll es darum gehen, ein neues Verhältnis zu seiner Begrifflichkeit zu bestimmen. Dies setzt jedoch voraus, dass wir unsere Praxis – und nicht nur die unsrige – erweitert begreifen. Nur so kann es uns gelingen, unsere Stellung als weiße metropolitane Männer im weltweiten revolutionären Prozess genauer zu bestimmen. Dies wiederum ist ein prozess von theorie uns Praxis, eine Gratwanderung zwischen subjektiver und objektiver Stellung im antipatriarchalen Kampf.
Um unsere Ausgangslage näher darzulegen, bedarf es noch einiger Klärungspunkte:
Wie bezeichnen das aktuelle, weltweite und alles durchdringende Herrschaftsverhältnis als imperialistisches Patriarchat. Wir haben diesen Begriff von den feministinnen übernommen. Patriarchat verstehen wir als politischen und ökonomischen begriff. Er gründet im Wesentlichen auf dem Männermonopol über die weibliche Fruchtbarkeit und Sexualität, der Überausbeutung der umfassenden matriellen Produktion und Reproduktion der Frau und den dazu erforderlichen Ideologien.
Wir sind der Auffassung, dass die ökonomische Ausbeutung ein grundlegendes Element aller istorischen Formationen des Patriarchats ist. Sie hat, besonders seit dem Aufkommen des bürgerlichen Patriarchats, die gewaltige Ausdehnung der technisch-industriellen Produktivkräfte hervorgebracht. Doch im verlauf der verschiedenen historischen Epochen blieb das gewaltverhältnis zischen den geschlechtern die aller Entwicklung zugrunde liegende soziale Basis.
Die Geschichte ist also nicht nur das Produkt von »Klassenkämpfen«, sondern noch grundlegender das Produkt des Gewaltverhältnisses zwischen den geschlechtern.
Wir verwenden den begriff des »Gewaltverhältnisses«, weil er unserer meinung nach das umfassende Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnis, dem Frauen im Patriarchat unterworfen sind, adäquater wiedergibt, als die kaum entwickelte marxistischen Kategorie der »ersten Klassenspaltung«. Diese nimmt eine »natürliche« Arbeitsteilung zwischen den geschlechtern zu ihrer Grundlage und besiegelt mit dem Umweg über Eigentums- und Klassenbildung den Nebenwiderspruchs-Charakter des geschlechtsverhältnisses im historischen prozess.
Aus diesen überlegungen folgt für uns, dass »Imperialismus«, »Kapitalismus«, wie auch der (nicht mehr) »realexistierende Sozialismus« epochale Erscheinungsformen des Patriarchats sind. Sie sind zeitbedingte Idealform der Herrschaftssicherung des patriarchats, innerhalb der gesamtgesellschaftlichen Situation des jeweiligen historischen Prozesses.
Kapitalismus, Imperialismus, Sexismus und Rassismus bezeichnen somit ökonomische, politische, soziale und strukturelle Erscheinungsformen einer bestimmten Entwicklungsstufe des Patriarchats. Allesamt materielle Gewalt im weitesten Sinn, reproduzieren sie in ihrer Wechselbeziehung die herrschaftsansprüche des Patriarchats.
Die entstellte Geschichte
Das Interesse jeder Herrschaft, die von ihr produzierten Gewaltverhältnisse zu kaschieren, dürfte auf der Hand liegen. So machen wir uns vergeblich auf den weg, in der patriarchalen gecshichtsschreibung die Spuren des Geschlechterkampfs zu suchen. Auch die linke klassenkämpferische Geschichtsschreibung widerspiegelt diese patriarchale Sichtweise. Nehmen wir also unseren Anspruch als linke revolutionäre Männer wahr und machen uns auf die Suche nach der von Frauen und ihren Kämpfen bestimmte Geschichte, so werde wir feststellen, dass diese geschichte entstellt ist durch Vereinnahmungs- und Einebnungsversuche von Männern in ihren verschiedensten Ausdrucksformen. Dies haben die kämpfenden Frauen selbst vielfältig dokumentiert. Konstant wurden und werden Frauenkämpfe, die maßgebliche beteiligung und bestimmung von Frauen in sozialen Kämpfen in ihrer bedeutung herabgesetzt, totgeschwiegen oder – was nur eine andere Facette ist – auf das eigene, männliche Kampfkonto gebucht, als Kämpfe des Proletariats.
All jenen, die vor der Autonomie der Frauen warnten und sie verunglimpfen, saß immer die Angst vor dem eigenen Hegemonieverlust im nacken. Der linke männliche Hegemonieanspruch drückt sich in den verschiedensten Verleumdungsversuchen aus: vom »(klein-)bürgerlichen Feminismus« zum reformismus-Vorwurf, von der »Dogmatismus«- bis zur »Spaltungs-«These. Gestützt auf den klassen-Antagonismus sollen sie dazu dienen, Frauenkämpfe, die sich nicht in diesem Selbstverständnis bewegen, als konterrevolutionär hinzustellen. Der große Teil der Kämpfe von frauen wurde und wird hingegen unter das große Dach der Gleichheit subsummiert. Am Maßstab des ökonomischen kampfes zwischen unten und oben, zwischen »Proletariat« und »Bourgeoisie« setzen alle Bemühungen an, die Einheit zwischen klassenkampf und Frauenkampf herbeizureden und die »korrekte« Zuordnung von haupt- und Nebenwiderspruch politisch zu bestimmen.
Die Geschichte in groben Zügen
» […] Die Hexenverfolgung, die den Aufstieg des Bürgertums begleitete, […] diente als Instrument zur Niederschlagung dieser latenten und gelegentlich akuten revolte der unbotmäßigen Weiber. Nach der Ermordung von (je nach Schätzungen) neun bis 30 Millionen Frauen […] Die bürgerliche Revolution liquidierte den rest an überlebender weiblicher Unbotmäßigkeit. Marie Antoinette wurde der Kopf nicht nur abgeschlagen, weil sie Königin war […] Lange vor ihrer Enthauptung wurde von den männlichen Revolutionären eine Kampagne angezettelt, in der die Königin zum Inbegriff der Verkommenheit stilisiert wurde: nymphoman und lesbisch, ehebrecherisch und machthungrig. Die Patrioten diffamierten sie überdies als Fremde, und last not least wurden ihr Beziehungen zu Giftmischerinnen, als hexen, nachgesagt. Die Revolutionärin Olympe de Gouges ahnte den tieferen Sinn dieser kampagne – auch sie wurde geköpft […]«
Ingrid Strobl, Die Angst vor dem Frösteln der Freiheit
»[…] Wie überall, wo die Fortschrittlichsten unter den Männern den Ideen von Gleichheit der Geschlechter Beifall zollen, konnte ich auch bei den Diskussionen über die Frauenrechte feststellen, dass die Männer, unwillkürlich, durch die Macht der Gewohnheit und der alten vorurteile, zwar so tun, als wollten sie uns beistehen, dass sie sich aber immer mit dem Anschein begnügen. Die politische Rechte sind bereits gestorben […]«
Louise Michel, Memoiren, 1886
Diese Beispiele belegen die historische Kontinuität einer Praxi, die auch die Geschichte der aufkommenden Arbeiterbewegung wie ein roter Faden durchzieht.
In ihrem ersten großen Diktat schied die Srbeiterbewegung kraft ihres Klassenbegriffs die »bürgerliche« Frauenbewegung von den Forderungen und Kämpfen der Arbeiterinnen. In der Folge bemühte sie sich immer, die »Frauenfrage« zum Teil der »Sozialen Frage« zu deklarieren. Im ökonomischen und politischen Kampf gegen die Bourgeoisie seien Proletarier und Proletarierinnen gleich, weil sie, so marx, vor dem Kapital gleich, schlicht Arbeitsinstrumente seien. Damals wie heute sollten die variationen männlicher Gleichheits-Vorstellunen nicht hinterfragt werden.
»Gleichheit«, »Brüderlichkeit« und »Einheit« werden als ideologische Kampfbegriffe vom patriarchat verwendet, gegen alle Versuche von frauen, ihre eigenen Machtansprüche zu stellen. Der Angriff stieß jedoch in der Geschichte immer von neuem an Grenzen, welche Frauen selber zogen. Die Folge waren neue oder veränderte Konzeptionen zur Absicherung der patriarchalen Macht, sowohl auf »proletarischer« wie auf »bürgerlicher« Seite. Die Forderung nach Rechtsgleichheit der Frauen (mit den Männern) fiel historisch mit der Behauptung der Gleichheit der Männer zusammen (siehe Clara Lonzi, Wir pfeifen auf hegel). Als rechtlcihes Prinzip der Unterschiedlichkeit. Der Marxismus sah diese Forderung als nicht einlösbar in der »bürgerlichen« Gesellschaft. Deshalb sollte die völlige Gleichstellung der Frau als nachzuholende bürgerliche Forderung über ihre Eingliederung in die »gesellschaftliche« Produktion – und später durch die Vergesellschaftung der Hauswirtschaft in der sozialistischen Gesellschaft herbeigeführt werden (siehe Silvia Kontos, Die Partei steht wie ein Mann). Dieses Ziel konnte und sollte nach diesem Verständnis nur im gemeinsamen Kampf erreicht werden.
Marxismus und Feminismus
Wir wollen an dieser Stelle auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern zu sprechen kommen, im Sinne des politischen Verhältnisses zwischen Marxismus und Feminismus. Dazu eine Vorbemerkung: Was die Aufarbeitung der Geschichte der kommunistischen Bewegung betrifft, so gehört diese zum Erketmtnisprozess über ihre innere Widersprüchlichkeit, mit dem Ziel, ihren proletarisch-revolutionären Kern herauszuarbeiten. Was die Klärung ihres Verhältnisses zum Feminismus betrifft, muss hingegen die Universalität des proletarischen Revolutionsbegriffs selber hinterfragt werden.
Wir möchten in diesem Zusammenhang an die Debatten der sozialistischen Parteien ausgangs des 19.Jahrhunderts erinnern:Von der sozialistischen Bewegung war der Feminismus lange Zeit zurückgewiesen worden. 1891 trat mit der Trennung von »marxistischem« und »bürgerlichem« Feminismus eine Wende in der Geschichte des Verhältnisses zwischen Marxismus und Feminismus ein. Es war der Beginn der marxistisch-feministischen Bewegung innerhalb der kommunistischen Bewegung. Bis zum Aufkommen des »Stalinismus« übte diese einen bedeutsamen Einfluss auf die Entwicklung des Feminismus aus. Der »Stalinismus« seinerseits erklärte sämtliche Klassenwidersprüche im »Sozialismus« für obsolet, löste I930 die Frauenabteilungen auf und ließ 1935 über die Komintern verlautbaren, dass es keine besondere »Frauenfrage« gäbe.
Diese Entwicklung gibt uns Auskunft über den inneren Entwicklungsprozess der kommunistischen Bewegung hin zum Revisionismus. Das historische »Schicksal« von Frauenbewegung und Feminismus in dieser Epoche kann u.E. jedoch nicht vom Standpunkt einer marxistischen Stalinismus- und Revisionismus-Kritik erklärt werden. Diese versucht den Niedergang der »Frauenemanzipation« immer nur als Nebenwiderspruch in den Zusammenhang eines allgemeinen Niedergangs der revolutionären Bewegung zu stellen. Der Zusammenhang besteht zwar für uns auch, doch beruht er u.E. auf einem grundsätzlicheren Widerspruch: Die innere Dialektik der kommunistischen Bewegung und ihrer Organisationen beruhte auf politischen Prozessen, verschiedener Klassensegmente des Proletariats und anderer Klassen. Sie stand im Zeichen politischer Flügelkämpfe bis hin zu offenen Machtkämpfen, in deren Verlauf sich die HERRschaft der Partei konsolidierte. Wenn diese Macht bestritten wurde, dann finden wir die Zeugnisse in der verschütteten zeitgenössischen Frauengeschichte (z.B. Clara Zetkin, Erinnerungen an Lenin). Es gab sie zweifellos, die Kämpfe der Frauen für ihre eigenen vitalen Interessen im allgemeinen revolutionären Aufbruch. Doch sie wurden – wohlverstanden unter prekären nationalen und internationalen Bedingungen – durch die vorherrschenden patriarchalen Klasseninteressen des Proletariats und seiner Partei im »sozialistischen Aufbau« unterdrückt.
Wir beschränken uns hier auf eine grobe Darstellung der historischen Entwicklung. Auf der einen Seite würde eine detailliertere Darstellung den Rahmen dieses Textes sprengen. Auf der anderen Seite, und dies scheint uns noch wichtiger, sollte es auch darum gehen, sich als Männer im eigenen Zusammenhang diese historischen Kenntnisse anzueignen. Soweit unsere Ausgangslage.
Ein Mann namens Marx sagte einmal: »Das Sein bestimmt Bewusstsein«
Unser Da-Sein als Männer ist bestimmt durch unsere objektive Stellung innerhalb des imperialistischen Patriarchats. Dieses Dasein als weiße, metropolitane Männer ist das von Repräsentanten. Es findet seinen Bezug in den objektiven Gewaltverhältnissen, die den patriarchalen Alltag bestimmen, seien es Imperialismus, Kapitalismus oder Sexismus und Rassismus. Dies heißt nichts anderes, als dass wir in den Augen von Frauen, Schwarzen und Unterdrückten aus den drei Kontinenten und anderen Armutszonen potentielle oder manifeste Träger von Herrschaft sind. Einzig im Verhältnis um den »Besitz an den Produktionsmitteln«, als ökonomischem Klassenmerkmal, kommt uns als proletarischen Männern die Stellung von nicht an Herrschaft Beteiligten zu. Dies mag unter anderem ein Grund für unsere – und die unserer sozialistischen Vorfahren – ökonomische, klassenzentristische und duale Sichtweise sein. Nur da konnten und können wir Gewalt subjektiv erfahren. So konnte und durfte auch das Patriarchat nur als strukturelles Merkmal oder als Nebenwiderspruch auftreten. Jede Infragestellung dieses Paradigmas hätte den unweigerlichen Einsturz des gemeinsamen Dachs des Widerstands von Männern und Frauen bedeutet. Die Feststellung, dass die Unterdrückten und Ausgebeuteten ihre Unterdrückung, ihre Ausbeutung und ihren Widerstand definieren und nicht die Unterdrücker, bringt die eigenen potentiellen Privilegien von Herrschaftsbeteiligung in Gefahr. Diese Angriffe von unten konnten nur durch ein Zurückschlagen beantwortet werden, in seinen unterschiedlichsten Ausdrücken, von direkter Gewaltanwendung, über Integration oder Negation, bis zum Bündnis mit dem Klassenfeind, der Männersolidarität im Patriarchat.
Die Gratwanderung…
Wir haben gesagt, nur die Ausgebeuteten und Unterdrückten können ihrem Kampf eine revolutionäre Richtung geben. Das hat zur Folge, dass ihre Definition von erfahrener Gewalt und ihr revolutionärer Kampf für uns als revolutionäre weiße Männer in den Metropolen Orientierung sein muß. Diese Orientierung setzt zwar das Anerkennen von Autonomie unbedingt voraus, darf aber die eigene revolutionäre Subjektivität nicht negieren Es geht also nicht darum, allen Ansätzen von Widerstand kritiklos zu folgen und revolutionären Organisationen nachzubeten. Die fatalen Konsequenzen dieser Politik hat uns die reformistische Soli-Bewegung zur Genüge vorgezeichnet. Im Weiteren hat auch die Entwicklung in der BRD und anderswo gezeigt, wie sich ein großer Teil der revolutionären Linken durch die Krise der Guerilla in reformistischen Positionen wiederfindet. Damit antipatriarchale Politik von Männern nicht durch anbiedernde Ausrichtung auf andere Subjektivität zur reformistischen Suche nach »herrschaftsfreien Lebensformen« innerhalb des Systems degeneriert, muss der eigene politische Kampf von Beginn weg gegen das gesamte System gerichtet sein. D.h. nicht kurzsichtig und subjektivistisch nur gegen das Macho-Verhalten in den eigenen Reihen, aber auch nicht objektivistisch gegen Kapital und nebenbei gegen »Männerherrschaft« oder »patriarchale Strukturen«, sondern gegen die gesamte hierarchische Organisierung des imperialistischen Patriarchats.
Nur so kann die eigene antipatriarchale Subjektivität wirklich revolutionär sein. Bis heute orientierte sich männliche Subjektivitat ideologisch – wie auch immer sie sich im revolutionären Spektrum selbst differenzierte – in letzter Konsequenz am Proletariat (mit oder ohne Zentralitat der Arbeiterklasse). Vom proletarischen Klassenstandpunkt aus entwickelte sie auch die revolutionären Positionen zum Imperialismus. Das genügt uns nicht. Diesen männerzentrierten ökonomistischen Blickwinkel gilt es zu ändern.
Das heißt zuerst mal, den Blick dafür zu schärfen. wie die Anderen, die Frauen, die Schwarzen, die Unterdrückten und Ausgebeuteten in den weltweiten Armutszonen ihre Herrschaftsbedingungen wahrnehmen. Und wie sie ihnen ihre revolutionäre Subjektivität entgegensetzen. Unser Handeln muss sich zwar in einer unterstützenden Praxis zu ihnen wiederfinden, doch im Sinne eines andauernden Prozesses von Aufbrechen des Gewaltcharakters in der gesamten Gesellschaft hier. Darin kann es keine Reduzierung auf das »Gesellschaftliche« oder das »Private« geben. Mit unserer Praxis und unserem Selbstverständnis bewegten wir uns lange Zeit auf dem ideologisch sicheren Boden des Kampfes gegen bürgerlichen Staat und Kapital, also der aktuellen Erscheinungsform des Patriarchats. Davon wollen wir nicht grundsätzlich Abstand nehmen. Anders ist einzig, dass wir uns darin selbst zum Gegenstand antipatriarchaler Kritik und Praxis machen Das verändert den Charakter und die Schwerpunkte unseres Kampfes. Der politische Kampf wird zur Gratwanderung zwischen Kampf gegen Herrschaft, Aufkündigung von Herrschaftsbeteiligung und radikaler Überwindung der eigenen gesellschaftlichen Konditionierung – immer im Bewusstsein des Doppelcharakters unserer eigenen Subjektivität als revolutionäre Männer, die nur mit einem Fuß ihre objektive Stellung im imperialistischen Patriarchat verlassen können. Als weiße metropolitane Männer müssen wir mit dem hegemonialen Denken und Streben brechen. Wir können nur in einem offenen solidarischen Verhältnis zu den revolutionär kämpfenden Frauen, Schwarzen und Unterdrückten und Ausgebeuteten aus den Armutszonen unterstützend wirken und unseren eigenen Kampf führen. Wir lassen uns zwar durch den Blick von ganz unten leiten, doch erst die Verknüpfung mit unserem eigenen sozialen Sein erlaubt es uns, in der politischen Praxis eigene Kampfziele zu definieren. Das klare Bewusstsein um die Differenz zu Frauenkämpfen und der Kampf gegen alle Angriffe auf ihre autonome Strukturierung muss fester Bestandteil unserer Analysen, unserer praktischen Interventionen und unserer organisatorischen Überlegungen sein
… und die Frage nach Organisierung
Mit der Frage, wie wir uns organisieren wollen, stellen sich alte und neue Probleme ein. Jeder Organisationsansatz, sofern er auf’s Ganze zielt, konfrontiert uns mit der historischen Erfahrung, dass er bereits das Prinzip der Machtergreifung und Machtausübung durch die Organisation in sich trägt. Das hat sich in männerdominierten Kollektiven und Parteien – das ist ideologisch und nicht quantitativ zu verstehen – immer gegen die Frauen ausgewirkt. Konkret, auf unsere linken Verhältnisse übertragen heißt dies, dass in gemischten Zusammenhängen trotz und wegen der Beschwörung von »Gleichheit« und »Einheit« das Verhältnis zwischen den Geschlechtern unauflösbar von der männlicher Vorherrschaft geprägt ist.
Wie eine Organisierung unter der Bedingung der Unterschiedlichkeit der Kämpfe hier und weltweit für uns auszusehen hat, kann sich nur in der Praxis, im Prozess schrittweise zeigen. Eines ist gewiss, die autonome Organisierung von Männern für eine umfassend revolutionäre Politik ist die adäquate Antwort auf den Geschlechter-Reformismus der gemischten Zusammenhänge. Sie schließt die autonome revolutionäre Organisierung der Frauen, Schwarzen usw. mit ein, leitet sich selber daraus ab.
Dem Vorwurf, wir würden spalten, halten wir entgegen, dass wir den »Geschlechterwiderspruch« aus dem Gemauschel der gemischten Zusammenhänge herauslösen und ihn aus unserer Sicht seiner politischen Bestimmung zuführen, indem wir ihm auch einen organisatorischen Ausdruck geben. Innerhalb des umfassenden Kampfes gegen das imperialistische Patriarchat bleibt für uns als revolutionäre Männer der Kampf gegen Staat und Kapital von grundlegender Bedeutung. Nicht als Hauptwiderspruch im orthodoxen Sinn, sondern im Sinn von aktuellen Ausbeutungs- und Herrschaftsstrukturen des imperialistischen Patriarchats. Unser Kampf muss sich jedoch ebenso gegen die resistent patriarchalen Mehrheitsstrukturen innerhalb der proletarischen Klasse richten, welche ihre Klasseninteressen gegenüber den Frauen mal offener, mal verdeckter zu realisieren gedenken und dadurch objektiv dem Patriarchat auf eine neue historische Stufe seiner Herrschaft zu verhelfen suchen.
Diese doppelte Ausrichtung zieht auch theoretische Erwägungen nach sich. Vornweg: der historische Materialismus bleibt Grundlage in der uns in seiner geschichtlichen Bedeutung zur Entschlüsselung von Klassenkämpfen (als analytisches Instrument) und zur Entwicklung von Strategien entlang dem Widerspruch von Lohnarbeit und Kapital (als Kampinstrument). Da wir aber davon ausgehen, dass das patriarchale Herrschaftsverhältnis tiefer gründet, nämlich auf dem Gewaltverhältnis zwischen den Geschlechtern und nicht im Privateigentum an den Produktionsmitteln, darf die antipatriarchale Analyse und politische Strategie dem historischen Materialismus nicht einfach die blinden Flecken auffüllen, sondern muss dessen Voraussetzungen selbst der Kritik unterziehen. Da nun Kritik, materialistisch gesehen, letztlich immer eine praktische ist, bleib die autonome feministische Praxis und ihre authentische Theorie auch theoretischer Bezugspunkt für einen revolutionären antipatriarchalen Gebrauch des historischen Materialismus.
Wir denken weiter, dass gemischte Zusammenhänge objektiv, als stille Übereinkunft zwischen den Geschlechtern, den Charakter von Bündnissen haben. Dieser wird größtenteils nicht als solcher erkannt, weil dieses Wahrnehmen sein latentes Gewaltverhältnis freilegen würde. Politisch kann diese Einheit von Gegensätzen in gemischten Zusammenhängen einzig von Frauen aufgebrochen werden, denn es gibt ein objektives patriarchales Männerinteresse an einer reformistischen Integration von Frauenpositionen. Allgemein gesprochen bedeutet dies, dass der »Geschlechterwiderspruch« nur von den organisierten autonomen politischen Kräften der Frauen, dem revolutionären Feminismus, in seine politischen Form als Kampf der Gegensätze gebracht werden kann.
Als weiße, metropolitane linke Männer waren wir bis heute in gemischt-geschlechtlichen Zusammenhängen organisiert. Wir sind es noch, im Bewusstsein ihres vorübergehenden Bündnischarakters. Bleiben wir weiterhin drin, tragen wir objektiv dazu bei,. dass patriarchale Verhältnisse reproduziert werden. Tatsache ist, dass es innerhalb solcher Bündnisse undenkbar ist, dass Männer ihre patriarchalen Privilegien ablegen, ja überhaupt ablegen können. Versuchen wir, diesen patriarchalen Verhältnissen von innen entgegenzuwirken, befinden wir uns in Frontstellung zu jenen Männern, welche ein Interesse daran haben, gemischte Strukturen aufrechtzuhalten und dies auch ideologisieren. Schließlich entspricht es der inneren Dynamik dieser Strukturen, dass sie auf die physische und psychische Reproduktion durch Frauen angewiesen bleiben und bewusst oder unbewusst darauf zurückgreifen.
Dieses »Dilemma« ist auch in seiner subtilsten Form noch Ausdruck des fundamentalen Widerspruchs im Patriarchat, des Gewaltverhältnisses zwischen den Geschlechtern. Es wird uns zumindest so lange auf diese Weise beschäftigen, als sich nicht Kräfteverhältnisse gebildet haben, die es – auch uns – erlauben, aus antipatriarchalem Bewusstsein und entsprechender Praxis die Widersprüche der gemischten, geschlechter-reformistischen Zusammenhänge offenkundig werden zu lassen und aufzubrechen. Und zu dieser Perspektive können wir einzig durch unsere autonome Organisierung beitragen.
Zum jetzigen Zeitpunkt können wir uns vorstellen, dass es kurzfristige Bündnisse geben kann mit revolutionären Kräften der Frauen, [people of color] oder Menschen aus dem Süden und der Armutszonen. Bündnisse, aber nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, wie es im allgemeinen mit reformistischen Kräften üblich ist, sondern unterstützende Zusammenschlüsse in einem unterstützenden Verhältnis. Unterstützend im Sinne, dass es für uns Männer darum geht, in solchen Zusammenschlüssen mit Herrschaftsbeteiligung zu brechen. Die Differenz bleibt auch in solchen Bündnissen bestehen, es kann keine subjektive oder objektive Gleichheit geben. Gleichheit kann nie Programm sein. Nur so kann der Prozess des Bruchs mit dem Patriarchat und den von ihm angebotenen Privilegien vorangetrieben werden.
Noch eine Bemerkung zum Schluss. Wir sehen unseren Text und unsere Thesen als ein Versuch, mal eine Zwischenbilanz zu ziehen und einige Eckpunkte unseres antipatriarchalen Verständnisses zu formulieren. Die Thesen sind das Produkt einer verstärkten Auseinandersetzung in den letzten Jahren mit anderen Militanten aus den verschiedensten autonomen und antiimperialistischen Zusammenhängen. Viele Fragen bleiben offen. vorerst…
TENKILE Sept.92
Antwort auf „die Jedi Ritter“
»Es gibt nichts Wahres im Falschen, aber viel Falsches im Wahren…«
Schlußwort im Film Der subjektive Faktor von Helke Sanders
Warum dieser Text
Wir haben uns entschlossen, wieder in die von uns angeregte »Tenkile«-Debatte einzugreifen. Zum einen, weil wir uns durch die Initiative der Hamburger Archiv-Männer im »profeministischen Rundbrief« dazu aufgefordert sahen. Zum andern, weil wir von verschiedener Seite, auch nicht öffentlich, Kritik erhielten. Nachdem uns auch das Redaktionskollektiv vom »profeministischen
Rundbrief« Schwammigkeit vorgehalten hatte und die in Nr. l abgedruckten Reaktionen darauf zurückführte, möchten wir unsere Antwort u.A. auch über dieses Medium wieder an die linke bewegte Männer-Öffentlichkeit zurückgeben. Im Besonderen möchten wir uns auf diesem Weg an die »Jedi-Ritter« wenden. Die Positionen, welche sie vertreten, konnten wir nicht nur bei ihnen feststellen. Auch in anderen Auseinandersetzungen kamen immer wieder ähnliche Fragestellungen und Positionen. Die »Jedi-Ritter« gehören jedoch zu den Wenigen, die schriftlich auf unseren Text reagierten (siehe »profeministischer Rundbrief«). Deshalb versuchen wir auf den nächsten Seiten entlang ihrer Position einige grundlegende Fragen zu klären.
von den grundlagen des handelns
»[…] sie machen theorie und leiten aus ihren ergebnissen dann ihre (nicht-)praxis ab […] allerdings sind wir der ansicht, dass ihre theorie, d.h. die grundlage ihres handelns, nicht gerade der hammer ist. eine praxis, die darauf beruht, wird tendenziell dann ebenfalls nur mist sein. eigentlich ziemlich logisch, oder? […]« (Jedi-Ritter)
Worum es in unserem Text vor allem ging, war um den Versuch,
- unsere aktuelle(!) politische Realität als weiße linke Metropolenmänner zu erfassen,
- mögliche Ansätze antipatriarchaler Poltitik zu erkennen und
- eigene Kriterien und politische Instrumente für eine antipatriarchale-profeministische Praxis zu entwickeln und zu reflektieren.
Aus diesem Grund schrieben wir: »Wir sehen unseren Text und unsere Thesen als einen Versuch, mal eine Zwischenbilanz zu ziehen und einige Eckpunkte unseres antipatriarchalen Verständnissen zu formulieren.«
Es kann objektive oder subjektive Gründe haben, dass wir für Einige »schwammig« scheinen. Wollen wir die drei genannten Punkte formulieren, müssen wir uns auf unsere politischen Erfahrungen abstützen. Dazu gehört bspw. auch die Debatte in den linken Zusammenhängen. Unsere theoretischen Überlegungen müssen eng mit dieser Praxis verknüpft sein, sonst sind sie bedeutungslos. Mit dieser Methode können wir abgehobene »Theorien« und dogmatische Positionen am ehesten vermeiden. Über sie bestimmen wir auch unseren Zugang zur Geschichte.
In unserm antipatriarchalen Verständnis orientieren wir uns an der feministischen Geschichtsauffassung. Erst diese hat das Verhältnis zwischen Mann und Frau als grundlegendes soziales Gewaltverhältnis herausgearbeitet. Und erst sie hat der Aktualität der Frauenkämpfe und des Frauenwiderstands die geschichtliche Legitimität gegeben.
Es war weder das erklärte Ziel unseres Textes, das Wesen des Patriarchats zu ergründen, noch die historische Herausbildung des »Geschlechterverhältnisses« (J.-R.) zu klären. (siehe unseren Verweis auf feministische Dokumentationen in unserem Papier vom Sept.92, ak 351).
Anders die Jedi-Ritter. In ihrer »theoretische(n) herleitung der struktur des gewaltverhältnisses zwischen den geschlechtern« beschreiben sie das »abstrakte prinzip der sphären […]«. Ihre Analyse steht jedoch auf dem Boden ihrer eigenen Praxis und Zielsetzung, der »zusammenarbeit von männern mit frauen«. Da gehen unsere Vorstellungen auseinander. In dieser wesentlichen Frage zeigen uns die Jedi-Ritter zuerst mal, dass sie ihren politischen wie sozialen Erfahrungshintergrund völlig anders reflektieren. Indem die Jedi-Ritter weiter ihre Vermittlungsschritte von Theorie und Praxis nicht entwickeln, bleibt ihre Ausgangslage auch unverändert: Gängige Praxen und altbekannte Modelle. Für diesen Zirkelschluss holen die Jedis zwar theoretisch weit aus, ihre politischen Schlussfolgerungen fallen entsprechend bescheiden aus. Das hat weitreichende politische Konsequenzen.
»[…] Dem Marxismus-Leninismus (und seinen autonomen und sonstigen Schattierungen, d.A.) liegt daran, die beiden Geschlechter gleichzusetzen, aber die Abrechnung zwischen Männerkollektiven (*) kann nur dazu führen, dass die eigenen Wertvorstellungen paternalistisch an die Frau weitergegeben werden. […]« (Clara Lonzi / Wir pfeifen auf Hegel).
(*) gemeint ist Klassenkampf als Herr-Knecht-Dialektik, als Verhältnis innerhalb der männlichen Welt (siehe dazu auch im Tenkile-Text: »…und die Frage nach Organisierung«, ak351).
…der-haupt-neben-wider-spruch?
»[…] der orthodoxe nebenwiderspruch patriarchat wird bei TENKILE zum unorthodoxen nebenwiderspruch. sie kümmern sich weiterhin und vor allem um den kampf gegen staat und kapital […] jedenfalls ist es dann nur folgerichtig, dass die »sache mit dem patriarchat« mal wieder frauensache bleibt […] also weiter wie bisher […] mann ist fein heraus […]« (Jedi-Ritter)
Wir gehen davon aus, dass im Kapitalismus das Gewaltverhältnis zwischen Mann und Frau auch eine spezifische Form bekam. Doch war der Kapitalismus von Beginn weg in seinem Wesen patriarchal.
»[…] Die Unterdrückung der Frau ist das Resultat von Jahrtausenden: der Kapitalismus hat sie mehr geerbt als produziert. Das Aufkommen des Privateigentums hat ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zum Ausdruck gebracht als Machtbedürfnis eines jeden Mannes über jede Frau. Auf ökonomischer Basis das Schicksal zu interpretieren, das uns bis heute begleitet hat, bedeutet, einen Mechanismus dafür verantwortlich zu machen, dessen treibende Kraft man nicht kennt […] Dem historischen Materialismus entgeht das emotionale Moment, das den Übergang zum Privateigentum bestimmt hat. Und darauf wollen wir zurückgehen. damit der Archetyp des Eigentums erkannt wird, das primäre vom Mann entworfene Objekt: das Sexualobjekt. […]«
(C. Lonzi)
Bei jedem bedeutsamen historischen Umbruch lässt sich diese Zurichtung der Frau aufgrund des gewaltsamen und massenhaften Charakters am besten nachweisen.
Der patriarchale Feldzug der »Hexenvernichtung« ermöglichte neben dem kolonialen Angriff gegen die Völker Asiens, Amerikas und Afrikas erst den Aufstieg der modernen patriarchal-kapitalistischen Klasse. Beide sind sie Ausdruck der räuberischen Periode, die dem strukturierten Kapitalismus voranging.
War haben im Weiteren gesagt, dass revolutionäre antipatriarchale Subjektivität aus dem Kampf gegen die gesamte hierarchische Organisierung des imperialistischen Patriarchats hervorgeht. Und – dass wir, als proletarische Metropolen-Männer, in diesem Kampf eine spezifische objektive Stellung einnehmen. Diese ist doppelt bestimmt: durch das Gewaltverhältnis gegenüber der Frau und durch die kapitalistische Hierarchie. Das macht unseren Kampf zur Gratwanderung, ob wir wollen oder nicht. Wir betrachten dies nicht als »Pech«, wie die Jedi-Ritter hämisch bemerken, sondern als Realität. Als Angehörige einer ökonomischen Männer-Klasse, als Proletariermänner erfahren wir Ausbeutung und Unterdrückung vor allem im Verhältnis zum Kapital und zum »ideellen Gesamtkapitalisten«, dem Staat. In diesem hierarchischen Verhältnis ist es für uns möglich, Ausbeutung und Gewalt subjektiv zu erfahren und zu erkennen. Die sozialistische Bewegung hat sich in ihrer Geschichte darauf berufen. Sie hat uns die Legitimität des proletarischen Kampfes schlechthin vermittelt.
»[…] Die marxistisch-leninistische Ideologie bietet ihm (dem jungen rebellierenden Mann, d.A.) die Möglichkeit, seine Rebellion konstruktiv werden zu lassen dadurch, dass er den Kampf des Proletariats unterstützt, an das auch seine Befreiung delegiert wird. Aber auf diese Weise wird der junge Mann wieder von einer von der patriarchalen Kultur vorgesehenen Dialektik aufgesogen, die die Dialektik der Machtübernahme ist; wahrend er glaubt, den mit dem Proletariat gemeinsamen Feind im Kapitalismus erkannt zu haben, verlässt er sein eigenes Terrain des Kampfes gegen das patriarchale System. […] Indem er stellvertretend für einen anderen kämpft, unterwirft der junge Mann sich selbst wiederum und tut damit genau das, was man immer von ihm gewollt hat. […]« (C.Lonzi).
Wollen wir in unserem antipatriarchalen Anspruch revolutionär sein, können wir aber nicht stellvertretend handeln. Das Bewusstsein, Objekt des Kapitals zu sein, lieferte uns jedoch eine intellektuelle Möglichkeit. Es ist die Möglichkeit, Begriffe wie Patriarchat, Sexismus, u.a., wie sie von der Frauenbewegung definiert wurden, im ersten Schritt als Kampfbegriffe, im zweiten als feministische wahrzunehmen. Doch nur in dem Maß, als sie im feministischen Kampf gegen uns gerichtet waren, wurden sie für uns bedeutsam. Denn die feministische Begrifflichkeit identifizierte uns als Subjekte (Täter) im Gewaltverhältnis zur Frau. Das ist unsere objektive Stellung vom Standpunkt der Frauen aus. Dass wir als Männer diese Sichtweise nur ungern akzeptieren, zurückweisen oder bekämpfen, ist Ausdruck dieser Stellung. Auch hier stehen wir in einer ungebrochenen Tradition. Und wenn wir diese dennoch immer wieder von neuem zur Kenntnis nehmen mussten, ist dies der Frauenbewegung und ihren Angriffen zuzuschreiben. Es bleibt aber ein subjektiver Entscheid, ob wir den feministischen Standpunkt in unserem Politikverständnis angreifen oder nicht. Die Notwendigkeit, antipatriarchale/profeministische Politik auch praktisch umzusetzen, können Männer nicht auf die eigene Proklamation abstützen. Sie liegt in letzter Konsequenz im politischen Kräfteverhältnis, in der Stärke des Feminismus begründet. Der Behauptung der Jedi-Ritter, »[…] das Gewaltverhältnis der Geschlechter wird wiedermal zur Frauensache erklärt […]«, halten wir entgegen: die Befreiung der Frau ist die Sache der Frau selbst. Nicht das Gewaltverhältnis zwischen Mann und Frau, das Patriarchat, wird von uns zur »Frauensache« gemacht, sondern ihre Befreiung wird von den Frauen zu ihrem politischen Ziel erklärt. Daraus bestimmen wir unsere Position. Wenn Männer erklären, ihre Beteiligung im Gewaltverhältnis gegenüber den Frauen freiwillig aufzukündigen, nehmen sie die Wahrung priviligierter Interessen vorweg. Antipatriarchale / profeministische Politik heißt für uns erst mal, sich auf den Feminismus beziehen und ihre Auseinandersetzungen und Positionen offenlegen. Unter dieser Voraussetzung bleibt die Zerschlagung von Kapital und Staat für uns weiterhin Kampfziel, und zwar als Teil in einem umfassenden Kampf: dem Antagonismus von imperialistischen Patriarchat und feministischer Revolution. (siehe dazu den Text »feministische Perlen … vor … antii … E …«/Frauen/Lesben, Interim 229). Mit diesem politischen Ansatz nehmen auch die Frauen das Kapital und den Staat als Garanten der Kapitalbedingungen nicht von ihrem Kampf aus. Das ist das Selbstverständrus revolutionärer Feministinnen.
der eigene sexismus
Den Jedi-Rittern bleibt als Kampfmittel einzig ein moralisierendes und subjektivistisches Abrechnen mit ihrem eigenen Sexismus. Sie sind dabei allerdings nicht allein, das Gejammer schallt durch einen großen Teil der innerlinken Diskussion zum Patriarchat. Im Bewusstseinssprung der Jedi-Ritter vom »gefühlskrüppel« zum »experten in sexismus« ist ihr ganzer Prozess eingebunden. Er erscheint unvermittelt und ist materialistisch nicht mehr begründbar. Dazu nur eine kurze Bemerkung:
Wir haben in unserem früheren Papier formuliert, daß es absolut notwendig ist, den Sexismus auch in den eigenen Zusammenhängen zu bekämpfen. Wir haben aber betont, daß wir ihn nicht loslösen können aus unserer gesamten Praxis. Er ist kein Kampf neben anderen Kämpfen, nicht Bereich, sondern Grundzug all unserer Kämpfe. Erst mit dieser Absicht und Wahrnehmung erfüllen wir eine notwendige Voraussetzung, um uns als Männer im Kampfgegen das Patriarchat begreifen zu können.
und immer wieder verschwindet die Frau
Bei den Jedi-Rittern fehlt jegliche Bezugnahme zum Feminismus. Dies scheint uns wesentlich für ihren Rigorismus. Richtig ist, daß es nicht die Sache der Frauen sein kann, »zweckrationale gefühlskrüppel« zu reproduzieren. Wir müssen dennoch anerkennen, daß der überwiegende Teil der Einsichten in männlichen Chauvinismus und Sexismus von der Frauenbewegung aufgearbeitet und politisch gegen die Männer umgesetzt wurden. Mag wohl die »frage der zumutbarkeit« berechtigt sein, sofern sie wirklich dazu dient, politische Kräfte der Frauen von dieser Reproduktionsleistung zu befreien. Nur, wenn dieser Schritt mit Expertentum in Sexismus ideologisiert wird, kommt der gleiche Chauvinismus durch die Hintertüre wieder herein. Auf die subjektive Reproduktion zu »verzichten« bedeutet keineswegs, sich nicht auf den revolutionären Feminismus zu beziehen.
Denn nur von dessen authentischer Bedeutung aus können wir zu einem antipatriarchalen Politikverständnis gelangen.
Wir haben postuliert, daß das Gewaltverhältnis zwischen Mann und Frau nur von den organisierten autonomen politischen Kräften der Frauen, dem revolutionären Feminismus, zum politischen Kampfverhältnis gemacht werden kann. Für die Jedi-Ritter existieren die Frauen in der Analyse der Verhältnisse als Objekte der Männergewalt. Sie sind als politische Akteurinnen in einer Welt männlicher Polit-Aktivitäten einfach mitgemeint?
Gilt für Männer der selbstproklamierte Kampf gegen den Sexismus, so werden Frauen als kämpfende – geschweige denn als autonom Kämpfende – nicht mal wahrgenommen.
Wir haben weiter gesagt, daß allen ökonomischen Klassenverhältnissen das Gewaltverhältnis zwischen den Geschlechtern zugrunde liegt. Von daher schließen wir, daß es auch immer einen Widerstand von Frauen gegen das Patriarchat gegeben hat.
»[…] Die Frau […], die zunächst in der französischen, dann in der russischen Revolution versucht hat, ihre Problematik mit der des Mannes auf politischer Ebene zu vereinigen, und dabei nur die Rolle des Anhängsels bekam, behauptet, daß das Proletariat revolutionär gegenüber dem Kapitalismus, aber reformistisch gegenüber dem patriarchalen System ist. […]« (C.Lonzi).
Der Widerstand der Frauen wurde und wird vom Patriarchat immer wieder bekämpft. Es gibt sie, wenn auch teilweise verschüttet, diese Geschichte von Frauenkämpfen. Sie ist unser praktischer Bezugspunkt für den antipatriarchalen-profeministischen Kampf.
Und noch was zur Geschichte: Wir gehen nicht davon aus, daß die Frau erst mit der Herausbildung der Monogamie als der Grundzelle der Warenproduktion vom Manne unterjocht wurde. Darauf bauen die Jedi-Ritter ihre Position auf. Wir teilen ihre Auffassung nicht, wonach das Gewaltverhältnis in der bürgerlichen Gesellschaft auf die »Tauschwertvergesellschaftung« zurückzuführen sei. Wir stützen unsere Position auf die These, daß die Frau vom Mann unterworfen wurde im Prozess seiner Aneignung von Natur.
»[…] Gegenüber dem Mann wurde die Frau zur Natur, und er wendete gegen sie und die mit ihr verbundenen Urformen freien sexuellen Verhaltens die gleiche Grausamkeit an, die er im Kampf gegen die Natur sich zu eigen gemacht hatte. Die Vergewaltigung der Frau liegt also historisch noch vor der Herausbildung des Privateigentums. Das patriarchale Herrschaftssystem vermochte es, sich biegsam den Veränderungen des Produktionssystems anzupassen. Da das Prinzip des Privateigentums die Herrschaft des Mannes aber die Frau zwar stabilisiert, aber nicht begründet hat […]« (Zur Kritik der Homosexuellenunterdrückung/Prokla 17/18, 1975).
Wir schließen daraus, daß das Gewaltverhältnis zwischen Mann und Frau mit den Kategorien des Tauschs weder geschichtlich noch konkret aktuell in seinem ganzen Umfang begriffen werden kann. Denn in der »bürgerlichen Gesellschaft«, dem kapitalistischen Klassenpatriarchat, ist es lediglich in eine spezifische mit der Produktionsweise verbundene historische Form gegossen. Das ist von Bedeutung für unsere konkrete Praxis. Es heißt, daß wir uns die ganze Tiefe dieses historischen Prozesses in unserer politischen Praxis als Männer aneignen müssen. Das ist mehr als die bewusste Aneignung einer spezifischen Sozialisation der »Geschlechteridentitäten« in einer warenproduzierenden Gesellschaft. Die Jedi-Ritter schreiben: im »[…] aktiven prozeß der aneignung dieser identitäten durch das einzelne individuum«, in dem »[…] mensch sich das bewusst [macht]« kann »[…] sofern gewollt, Veränderung möglich werden«. Die Gefahr verbirgt sich bereits im Begriff des »Menschen«. Wenn diese Ansicht in der Vorstellung von einer »[…] konkurenzfreien Gesellschaft, in der Geschlecht keine Rolle spielt […]« gipfelt, bleibt auch die Utopie patriarchal.
»[…] Denn der Mensch ist nicht eine natürliche Art, sondern eine historische Idee. Signifikant wird das an allen Revolutionstheorien mit ihrem Gleichheitsversprechen, das in Wahrheit eine Drohung ist. Denn was bedeutet es anderes, als daß die unaufhebbare Geschlechterdifferenz noch entschlossener negiert wird, eine Negation, die nur aber die vollständige Einebnung der Frau gelingen kann. Über die eingeebnete Frau gedenkt der Mann sich seiner Fesseln zu entledigen und vom Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit – seiner dritten – zu schreiten. […]« (Was ist das Patriarchat/RZ).
In den Positionen der Jedi-Ritter spiegelt sich genau die politische und organisatorische Praxis wieder, die wir in unserem Papier zu problematisieren suchten. Sie unterscheiden sich nur äußerlich von anderen Wahrnehmungen innerhalb der linken Männerdiskussion. Eines bleibt den meisten gemeinsam, das unbedingte Festhalten an den gemischten Reproduktions-Zusammenhängen.
Nachtrag
Für die Entwicklung eines antipatriarchalen / profeministischen Verständnisses finden wir es wichtig, die weitere Auseinandersetzung entlang von aktuellen Prozessen und Kämpfen zu führen. Vom kurzfristigen männlichen Aufschrei bei Mackerverhalten und Vergewaltigungen in der Szene zur vertieften Auseinandersetzung über den eigenen Sexismus im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Fragen (soziale Verelendung, rassistische Angriffe, Gewalt gegen Frauen, Internationalismus, Metropolenguerilla, Arbeitskämpfe, etc.) zu finden. Es gilt, die entsprechenden Kämpfe in Bezug zum »Antagonismus von imperialistischem Patriarchat und feministischer Revolution« wahrzunehmen, zu führen und darin einzugreifen.
TENKILE Okt. 93