Nicht »Nein heißt Nein« sondern »Nicht ja heißt Nein«1. Vergewaltigung fangt früher an als bei offener, direkter, körperlicher Gewalt. Grenzen von Frauen werden dabei erstmal nur von der jeweiligen betroffenen Frau bestimmt. Grenzverletzungen, sprich Vergewaltigungen, auch.
Natürlich gibt es Unterschiede bei Vergewaltigungen.
Das Spektrum männlicher Gewalt reicht von Anglotzen und Anmache bis zur Vergewaltigung mit Penetration und anschließendem Mord. All diese Gewaltformen haben jedoch einen gemeinsamen Ursprung. Und der liegt in der männlichen Sozialisation.
Vergewaltigungen entstehen weder aus einer besonderen Triebhaftigkeit, noch aus der »Natur des Mannes« heraus. Sondern Vergewaltigungen sind die logische, zwingende Konsequenz der Erziehung zu einer von patriarchalen Werten definierten Gesellschaft. Das Machtmonopol des Mannes macht uns Männer zu Tätern. Unsere Definierung über männliche Werte, Stärke, Potenz, Besitz und Erfolg sind unser scheinbares Lebenselexier. Stärke kann hierbei durch das dicke Bankkonto ebenso wie durch die Lederjacke verkörpert werden.
Potenz durch die Vergewaltigung auf der Straße ebenso wie durch ständig wechselnde Beziehungen zu Frauen, die natürlich alle möglichst mager und hübsch, sprich kindlich, sein müssen.
Wir Männer haben alle in irgendwelchen Formen schon Grenzen von FrauenLesben überschritten. In diesem Sinne sind wir auch alle Vergewaltiger.
Sicher, es gibt qualitative Unterschiede. Anglotzen, Anmache, nicht Ja heißt Nein. Aber dies ändert nichts daran, dass wir über das Thema Vergewaltigung auch als Täter reden müssen.
Im Zweifelsfall stellt sich uns sogar die Frage woher wir denn wissen wollen (wahrnehmen), ob wir schon vergewaltigt haben oder nicht.
Wir haben, und zwar alle. In unterschiedlichen Formen, unterschiedlich gewalttätig, vor Selbstbewußtsein strotzend, drängelnd, oder ängstlich unsicher. Der Außenseiter vergewaltigt anders als der Scenestar. Der Mann auf der Straße anders als der im Ehebett.
Wir bewegen uns bei unserer Sexualität mit Frauen ständig an deren Grenzen entlang. Und solange männliche Sexualität ein Machtfaktor ist und wir es nicht wollen oder schaffen, aus der uns ansozialisierten Männerrolle auszubrechen, solange werden wir auch immer wieder Grenzen von FrauenLesben verletzen.
Die Vergewaltigungen in Kriegen oder auf der Straße sind »nur« die Spitze männlichen Machtanspruchs und männlicher Gewalt. Die Täter scheinen uns »nur« von der Praxis her fremd, von der Theorie her sind sie uns ähnlicher, als uns lieb ist.
Männer zweifeln Vergewaltigungen an. Für Männer ist eine Vergewaltigung nur im Sinne des Paragraphen eine »richtige« Vergewaltigung. Nur wenn sich das Opfer »richtig« wehrt, der Typ aus Nacht und Nebel kam, und der Schwanz so »richtig« in der Vagina war, erst dann ist es auch eine »richtige« Vergewaltigung 2.
Nur wenn gewisse »Leistungsmerkmale« vorhanden sind, wird etwas als sexuelle Gewalt, als Vergewaltigung, wahrgenommen. Die Frau als Hindernis, das bezwungen werden muß, der Mann, der nur mit dem Schwanz etwas Sexuelles vollbringt.
Alles andere nur so eine halbe Vergewaltigung?
Waren die Schmerzens- gar Lustschreie und Frau nur »allzu bereit« für soviel »Manneskraft«? Hat sie den Mann am Ende gar zur Vergewaltigung gezwungen?
NEIN:
Sowas würden wir linken Männer doch nie denken.
Da weiß Mann jetzt sogar schon, dass es sowas wie Vergewaltigung in der Ehe gibt. Aber Ehe war ja noch nie was für uns. Lieber alle zwei Wochen ne Neue als sowas festes, zwanghaftes mit Verpflichtungen, gell. Am besten mit zwei Frauen gleichzeitig von wegen freier Sexualität und so.
Ansich würden wir ja auch mit Männern. Aber das is halt nich so unser Ding. Aber natürlich ham wir nix dagegen wenn Männer untereinander ……….. 3
Der Mann ist sozial und sexuell ein Idiot.
Vergewaltigende Außenseiter die aus dem sozialen Rahmen fallen, sind nichts anderes als schöne, angesagte Scenemänner, die eine schöne, sprich kindliche Frau nach der anderen abschleppen. Sie haben nur andere Vorbedingungen. Aber eine Männertherapie brauchen beide.
Männer vergewaltigen da, wo sie Bedürfnisse von FrauenLesben außer acht lassen.
Männer vergewaltigen, wenn sie Vergewaltigungen anzweifeln, Frauen nicht ernst- oder als Sexobjekte wahrnehmen. Das ist wichtig für die Frage: »Wie gehen wir mit Tätern um?«.
Denn die muß dann auch heißen, wie gehen wir mit uns um. Ohne eine weitere Auseinandersetzung von uns Männern, unter uns, ist eine weitere Beschäftigung von uns mit Vergewaltigern sinnlos. Nur wenn es auch Männerstrukturen gibt, kann eine Auseinandersetzung mit Tätern sinnvoll sein.
Wenn wir nicht lernen, erstens selbst keine Gewalt gegen FrauenLesben mehr auszuüben, und es zweitens nicht schaffen, unter uns Männern einen wärmeren, liebevolleren Umgang zu entwickeln, dann werden wir letztlich auch keine Grundvoraussetzung für eine Täterarbeit haben.
Der Vergewaltiger wird im Unterschied. zu uns lediglich seine (und unsere) Männerrolle nur konsequenter als wir ausgelebt haben. Oder im Unterschied zu uns schon entdeckt sein.
Je nachdem, welche Form von Vergewaltigung begangen wurde, ist auch das Verhalten von Männern bestimmt.
Natürlich ist es einfach, einen Hardcorescenemacker, der eine Frau überfallen hat (und der am besten noch relativ unbeliebt ist), aus der Scene zu schmeißen. Für die Scene ist mit der Aus- und Abgrenzung des Täters dann ja meist auch das Problem erledigt.
Der Täter war dann ja meist eh »schon immer anders drauf« gewesen, und irgendwelche Macken, die eigentlich den scenetypischen Alltag beschreiben, werden dann zu seinem rein persönlichen Charakterzug. Und mit der Scene an sich hat das dann ja nix mehr zu tun.
Um nicht mißverstanden zu werden. Ich finde Männer müssen aus gemischten Räumen und Zusammenhängen rausfliegen, wenn FrauLesbe dies fordert. Aber für Männer sieht das anders aus, die ham sich gefälligst weiter mit dem jeweiligen Mann auseinanderzusetzen.
Je weniger deutlich jedoch eine Vergewaltigung war, desto mehr wird sie angezweifelt. Im Zweifelsfall werden Frauen, die Vergewaltiger in solchen Fällen »outen«, als hysterisch oder gar faschistoid bezeichnet.
Ist ja auch klar. Je mehr sich die Heftigkeit einer Vergewaltigung senkt, desto mehr bzw. desto eher sind wir ebenso Täter wie der entlarvte Vergewaltiger. Da Männer ihre alltägliche Männergewalt als normal hinnehmen, zweifeln diese dann an der moralischen Integrität der Frauen.
Zwischen diesen beiden Formen der Nichtauseinandersetzung, der Aus- und Abgrenzung vom Täter und dem Anzweifeln, ist noch eine Menge Spielraum für Männer, um sich vor einer Auseinandersetzung zu drücken.
Solches Verhalten liegt denn auch genau andersrum als unser Handlungsspielraum bestimmt ist. Denn je näher uns ein Täter mit seiner Tat und/oder seiner Auseinandersetzung darum ist, desto mehr Möglichkeiten haben auch wir mit unserer Auseinandersetzung mit ihm.
Auseinandersetzung sollte dabei nicht heißen, ihn an den Pranger zu stellen, sondern mit dem Täter sein und unser alltägliches Verhalten aufzuarbeiten.
Je krasser die Vergewaltigung ist, desto schwerer wird auch eine Auseinandersetzung mit dem Täter.
Desto mehr muß eine bestimmte Form von Nähe zum Täter schon vorhanden sein. In einem solchen Fall fällt es zumindest mir schwer, Nähe aufgrund ähnlicher männlicher Erfahrungen herzustellen.
Denn trotz aller Mittäter- und Täterschaft von mir ist ein Mann,der z.B. Nachts auf der Straße eine Frau überfällt, letztlich doch immer noch meilenweit von meinen Wahrnehmungen und Verhalten entfernt.
Handlungsspielraum kann sich hierbei nur da ergeben, wo der Täter seinen alltäglichen Sexismus wahrnimmt und sich zu verändern sucht. Wobei wir Männer dann auch gefordert sind, solche Männer an diesem Punkt zu unterstützen.
Vergewaltiger die kein Interesse an einer Aufarbeitung ihres Verhaltens haben, sollten von uns durchaus offensiv mit ihrer Tat konfrontiert werden.
Was aufs Maul hauen, oder Steckbriefe sind dabei Kampfformen die FrauenLesben vorbehalten bleiben. Wir Männer sind da gefordert, eigenständige Kampfformen zu entwickeln. Aber das ist eine andere Sache.
Ziel sollte bzw. muß aber sein, dass die Auseinandersetzung mit Sexismus schon vor der Vergewaltigung anfängt. Dass es in unserem Leben, und im Leben unserer Freunde und Bekannten keine Gewalt gegen FrauenLesben mehr gibt. Letztlich mit der Perspektive, Gewalt gegen FrauenLesben und Sexismus in der gesamten Gesellschaft abzubauen.
Nicht die Betreuung des Vergewaltigers, sondern die allgemeine Thematisierung von Sexismus durch uns in unserem Umfeld muß im Vordergrund stehen.
Denn diese frauenfeindliche Stimmung macht Vergewaltigungen erst möglich, bzw. schafft diese.
Unser Verhalten sollte davon bestimmt sein, dass es keine Vergewaltigungen mehr gibt, erst dann ist unsere Arbeit mit Vergewaltigern, bzw. mit uns, erfolgreich. Und dann wird sich auch das Verhalten unter uns Männern geändert haben müssen. Und damit wiederum wären wir auch einen konkreten Schritt in Richtung einer HERRschaftsfreien Gesellschaft gegangen.
Solange jedoch müssen bei unserem Verhalten immer erst die Forderungen der jeweils betroffenen FrauenLesben stehen, und erst dann können wir uns um die Täter, bzw. um uns kümmern.
Ist es richtig Tätern die Forderung nach einer Therapie zu stellen?
I.) Therapien sind nur erfolgreich wenn der Täter diese auch will. Andererseits ist es ja auch ok Prozeße von außen anzuschieben.
2.) Therapien können kein soziales Netz ersetzen. Ist es von daher richtig einen Mann, dem ein solches Netz das auf Nähe und Vertrauen aufbaut fehlt, in die Therapie zu schicken? Wird somit das Problem, bzw. der Täter nur anders weggeschoben als sonst? Eine Auseinandersetzung mit dem Täter durch uns ist eine unbedingt notwendige Begleitmaßnahme zu einer Therapie. Kann eine solche Auseinandersetzung, ohne ehrliche, persönliche Beziehung zum Täter überhaupt laufen?
3.) Therapien sind HERRschaftserhaltend! Scheinbar »Kranke« sollen geheilt, und der Arbeitswelt wieder zugeführt werden. Menschen sollen in den kapitalistischen und patriarchalen Zwängen funktionieren. Hinzu kommt, dass die bestehende Psychologie individualistisch argumentiert. Nicht das System schafft den Vergewaltiger, sondern seine Schwäche im Berufsleben und seine Unfähigkeit, seine Sexualität »normal« durchzusetzen, sind dort scheinbar der Wurzel Kern. So soll der Mann in die gesellschaftlich aktzeptierte Männer(gewalt)gesellschaft zurückgeführt werden.
Soll bürokratisierten Formen der Vergewaltigung ,wie zB. der Ehe oder der Prostitution nachgehen. Soll als richtiger Mann, der sich durchzusetzen weiß, der Arbeitswelt wieder zugeführt werden.
Das System funktioniert durch die HERRschaft, bzw. das Machtmonopol der Männer. Es wird sich seine Soldaten nicht zu Systemfeinden therapieren lassen.
Bestes Beispiel hierzu ist die Geschichte des Heidelberger Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK). Über Patientinnenkollektive ohne Hirarchien, wie Ärtzte und Ärtztinnen, sollten die Patientinnen sich selbst »heilen«. Sollten den Ursprung ihrer Krankheit im System sehen lernen, und im Kampf gegen die gesellschaftlichen Normen gesunden.
Das SPK Büro wurde I97I von mehreren 100 Bullen mit Hubschraubern und Maschinenpistolen geräumt und Initiatorinnen und Patientinnen zum Teil für lange Zeit in den Knast gebracht.4
Sicher, das SPK hatte auch viele weiße Flecken. So begründete es sich aus einer eher antikapitalistischen Haltung, und z.B. Sexismus wurde nicht bzw. kaum thematisiert. Aber dieses Beispiel zeigt, wie dieser Staat mit unseren Versuchen selbstbestimmte Therapieformen zu schaffen, umgehen wird. Sobald diese wirklich gefährlich werden, wird er versuchen, sie zu zerschlagen. Ist unter diesem Hintergrund die Forderung nach Therapieplätzen für Vergewaltiger politisch richtig? Bzw. auf einem solchen Weg durch die Institutionen umsetzbar, oder müßten nicht eigentlich sowas wie unabhängige Therapiegruppen geschaffen werden?
Wir müssten uns und alle anderen Männer von Soldaten zu Systemfeinden therapieren. Uns über den Weg der Verweigerung männlicher Werte neue Zusammenlebensformen erschließen.
Und das ist schwer. Denn nicht nur in bürgerlichen Medien werden Männer, die aus männlichen Werten ausbrechen wollen, verhönt. Auch in unserer Scene werden Männer mit dem Kampfbegriff Softie belächelt, und wird alles unmännliche mit schwächlich gleichgesetzt.
Männerverhalten zu ändern heißt auch, in der Hierarchie der Linken tiefer zu sinken. Unsere Ängste vor Veränderung sind nicht irreal, sondern realer Ausdruck dafür, dass wir uns erst mit Männermacht unseren Platz in der sozialen Hierarchie erobert haben. Nun müßen wir, wenn wir unser Verhalten ändern wollen, Angst haben, in dieser Hierarchie zu sinken. Denn auf Hierarchien sind unsere Beziehungen aufgebaut.
1 Von Berliner Männem in der „Interim 223“ so verwendet im Artikel »Das Schweigen der Männer«.
2 so wird z.b. erzwungener Oralverkehr vor Gerichten als Nötigung und nicht als Vergewaltigung verhandelt.
3 Das soll jetzt keine Aufforderung zur Monogamie sein, sondern lediglich aufzeigen, das Promiskuität in den bestehenden Verhältnissen auch eine Form von Männergewalt darstellen kann.
4 Quelle: »SPK- Aus der Krankheit eine Waffe machen« Erschienen bei KRRIM – Selbstverlag für Krankheit
Postfach 10 34 64, 6900 Heidelberg
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